Wiedergesehen: 3 Filme der 1980er und 1970er Jahre



Manchmal ergibt sich Gelegenheit, früher gesehene Filme nach vielen Jahren Abstand wieder zu sehen und neu einzuordnen. Zunächst bin ich im TV über diesen US-Film von 1988 gestolpert:

Die Waffen der Frauen (Originaltitel Working Girl)

Der Film war mir durchaus in Erinnerung, besonders die beeindruckenden Kamerafahrten auf die Skyline von Manhattan (damals noch mit den Doppeltürmen des World Trade Centers) und die fast schon hymnische Musik von Carly Simon - das war auch der einzige Film, zu dem ich je eine Soundtrack-LP kaufte.

Die Geschichte ist nicht sonderlich kompliziert: Die Heldin Tess (gespielt von Melanie Griffith) fährt jeden Morgen mit der Fähre nach Manhattan, um dort in einem der Bürotürme ihrer Arbeit nachzugehen. Von der Gruppe junger Frauen, die sich auf der Fähre und im Büro trifft, ist sie die ehrgeizigste - sie träumt von einer Business-Karriere. Sie wird einer bereits arrivierten Managerin (gespielt von Sigourney Weaver) zugeteilt und entwickelt dort Pläne für ein besonderes Geschäft. Als ihre Chefin krankheitsbedingt ausfällt, versucht sie ihren Plan umzusetzen und gibt sich dabei gelegentlich als ihre Chefin aus. Zwischenzeitlich verliebt sie sich in den (ehemaligen ?) Liebhaber ihrer Chefin (gespielt von Harrison Ford), was für weitere Komplikationen sorgt. Am Ende bekommt sie nicht nur "den richtigen", sondern auch die erhoffte berufliche Chance.

Tatsächlich habe ich beim Wiedersehen nur die letzte halbe Stunde gesehen, als sich alle Verstrickungen in einem Gespräch vor dem Aufzug des Büroturms aufklären und ihr der Ober-Boss "eine neue Chance" gibt. Sie solle sich am nächsten Tag in einer bestimmten Abteilung einfinden, müsse aber "ganz von vorn anfangen". Tess glaubt, wieder auf ein "Cubicle" im Grossraumbüro zurückgeworfen zu sein, und meldet sich bei der angegebenen Stelle. Aber diese Sekretärin klärt sie auf: nicht Tess sei ihre Sekretärin, sondern umgekehrt, und das Büro mit den 2 Fenstern *1 sei für sie bestimmt. Dankbar versichert Tess der Sekretärin, dass sie einen kollegialen Stil pflegen werde und sie "niemals zum Kaffee holen losschicken werde, es sei denn, sie holen sich gerade selber welchen" *2. Dann nimmt sie ihr neues Büro in Besitz.

Eigentlich eine ziemlich banale "boy-meets-girl"-Geschichte mit der üblichen Dreiecks-Konstellation. Interessant ist, dass nie so recht klar wird, womit denn die Firma Geld verdient und ob der strittige "akquisition deal" nun relativ normal oder eher aussergewöhnlich ist. Aber es war ja auch nicht der Plot, der mich beeindruckt hat, sondern zum einen die Szenen von der täglichen Anfahrt (so sind alle Business-Girls immer recht "aufgebrezelt" unterwegs, aber die Sneakers werden erst kurz vor dem Bürogebäude gegen Pumps ausgetauscht). Zum anderen die Kamerafahrten Michael Ballhaus', unterlegt mit Carly Simons Gesang: "Let the river run … come, the new Jerusalem … Silver Cities rise ..."

Vielleicht liegt ja die wahre Botschaft des Films nicht in der banalen Story, sondern in der bildlichen und musikalischen Überhöhung Manhattans zum "neuen Jerusalem", zur silbernen "city on a hill". Mit ihrem täglichen Einzug in die Bürostadt werden die Protagonistinnen zu Teilen dieser glänzend-perfekten Welt, und wenn sie sich nur genug anstrengen - so die unausgesprochene Botschaft - können sie sogar aufsteigen und vom eigenen 2-(oder 3-4-5-)Fenster-Büro auf die Wunderwelt hinabblicken. So wird der Film fast zur Metapher für das Wohlstands- und Aufstiegsversprechen der 1980er Jahre.



Beim nächsten Film geht es scheinbar noch höher hinaus: 1977 erschuf George Lucas mit "Star Wars" eine vielleicht nicht künstlerisch, aber auf jeden Fall kommerziell neue Dimension des "Science Fiction"-Films. Dank der freundlichen Überlassung einer DVD konnte ich "Teil 2" von 1980 noch einmal anschauen:

Star Wars - Das Imperium schlägt zurück (Originaltitel The Empire strikes back)

Über die "Star Wars" gibt es gefühlt kilometerlange Wikipedia-Artikel, Bücher, Tonnen von Rezensionen - was soll man man da noch schreiben ? Oft wurde darauf hingewiesen, dass sich Star Wars durch die Aufstellung als "Weltraum-Märchen" gegen Kritik aus dem Lager derer, für die "Science Fiction" noch etwas mit Science zu tun hat, immunisiert. Also kann man sich nicht wirklich über merkwürdigerweise im Vakuum donnernde Laserkananonen, mit Turbinengeräuschen vorbeischwebende Raumkreuzer und Laserschwerter, deren Lichtstrahl mysteriöserweise nach 50-100 cm in nichts verschwindet, mokieren. Aber die Immunisierung funktioniert auch andersherum: Durch die Aufstellung als "Science Fiction" gerät aus dem Blick, dass ja auch die Konzeption als Märchen total konventionell ist. Gute und schlechte Ritter, Prinzessinnen und Bürgerliche agieren da ja vollkommen befreit von jedem Gedanken an den Anachronismus, den sie eigentlich darstellen. Die meisten neuzeitlichen "echten" Märchenproduktion zeigen da mehr Selbstironie und/oder historisches Verständnis als George Lucas' Werk.

Der ausserordentliche Erfolg hat hier - wie so oft - viele Ursachen. Am wichtigsten war wohl, dass die Zeit reif war für einen Film, der die Faszination des Weltraums mit technischer Brillianz im "Odyssee"-Stil darstellte, aber das (jugendliche) Hirn nicht zu sehr mit Tiefgründigkeiten langweilte. Heraus kam eine Super-Breitwand-Popcorn-Opera mit den neuesten Findigkeiten von "Industrial Light and Magic" *3. Und die moralische schwarz-weiss-Malerei mit der kultisch verehrten "Macht" (oder "force") passte auch haargenau zur Reagan-Ära und ihrem wiederbetonten US-Exzeptionalismus. Da kam es auf herausragende darstellerische Leistungen nicht an (und vermutlich werden weder Carrie Fisher noch Harrison Ford ihr Spiel in diesen Filmen so bezeichnen wollen).

Die englische Wikipedia bezeichnet Star Wars als "Franchise" und trifft damit wohl den (ökonomischen) Kern des Star Wars-Phänomens. Und so wie es in jedem McDonalds-Franchise-Restaurant Cheeseburger und FrenchFries geben muss, so muss es in jedem neuen Star Wars Film die Figuren des Originals (R2-D2, C3PO, Han Solo, Darth Vader ...) oder leichte Abwandlungen davon geben.

Einen dieser Film-Clone habe ich mir ebenfalls angeschaut (bzw. versucht, anzuschauen - nach etwa der halben Spieldauer habe ich aufgegeben). In "Die dunkle Bedrohung" agieren angeblich noch menschliche Schauspieler - aber ausser Liam Neeson ist mir keiner als solcher aufgefallen. Das ist nun auch unwesentlich, denn im Zentrum stehen eindeutig die fantastischen CGI-Bilderwelten und die zahlreichen CGI-Kreaturen wie "Jar Jar Binks". Aber alles ist so blutleer wie die Graphik-Platine eines Computers ...



Kommen wir zum letzten "wiedergesehenen" Film. Roman Polanski stellte 1974 seinen im Los Angeles der 1930er-Jahre spielenden Film

Chinatown

vor. Möglicherweise hat es sich Polanski dadurch etwas leichter gemacht, dass er eine schon Jahrzehnte vergangene Periode als Rahmen wählte. Aber das Ergebnis ist m.E. immer noch herausragend oder - wie es ein Film-Buch so schön formulierte: "Has stood the test of time better than most !"

Hier stimmt einfach alles: ein packender Plot (den ich in >Mutmassungen über Motivationen< zusammengefasst habe), hervorragende Darsteller (Jack Nicholson, Faye Dunaway, und - herausragend unter den Herausragenden - John Huston), sorgfältig ausgesuchte Interieurs und Exterieurs, Licht, Ton, Kamera, Schnitt - und natürlich die Regie. Möglicherweise gibt es ein paar historische Ungenauigkeiten - mir sind zwar keine aufgefallen, aber ein Kenner der kalifornischen Betonbauten der 30er-Jahre würde vielleicht welche entdecken.

Wohl gibt es einige Tote in diesem Film, aber eigentlich nur wenig Blut und Gewalt. Wo es Gewalt gibt, kommt sie so überraschend und erschreckend, dass man - wie Faye Dunaway bei Jack Nicholsons plötzlichen Angriff auf den gedungenen Killer "Claude" - schockiert und gleichzeitig fasziniert zusehen muss.

Leider ist aus der geplanten Trilogie nach Vorlagen von Drehbuchautor Robert Towne *4 nichts geworden: Teil 2 kam zwar als "The Two Jakes" in die Kinos, wurde aber m.E. zurecht nicht so ein Erfolg wie "Chinatown" - vielleicht, weil Jack Nicholson als Regisseur nicht so begabt ist wie als Schauspieler. Jedenfalls zerstreute sich daraufhin das geplante dritte Filmprojekt. Es bleibt uns ein Klassiker - Hollywood in technischer und künstlerischer Hochform.


(Juli 2016)



*1 Schon mindestens seit den 1950er Jahren gilt in den Bürotürmen der USA eine Hierarchie-Einteilung nach der Zahl der (immer gleich grossen) Fenster. Wer im Grossraumbüro (0 Fenster) arbeitet, gehört zum Fussvolk. Das erste eigene Büro hat typischerweise 1-2 Fenster, von da geht es über 3-4-5 Fenster immer höher hinauf. Die absolute Spitze ist wörtlich und hierarchisch im "Penthouse" erreicht.

*2 Feminismus a la Hollywood ...

*3 Dies war und ist der Name von George Lukas' Firma für Spezialeffekte.

*4 Während es im ersten Teil um die knappe Ressource Wasser ging, handelte es sich bei 2 um die Ressource Oel und bei Teil 3 um die Ressource Land.