Muss man über Donald Trump schreiben ?

Oder über Time Warner Inc. ?



"...aber als Bewohner einer Grossmacht werden sie unangenehm." *1



Kurze Antwort auf die erste Frage: Noch nicht.

Die lange Antwort muss sich an dem orientieren, was Vladimir Putin schon im Sommer dieses Jahres sinngemäss bemerkte: Während Hillary Clinton als prototypisches Produkt des US-Politik-Establishments in vielem berechenbar sein würde, ist Donald Trump ein unbeschriebenes Blatt.

Schon bei einem "normalen" Präsidenten wäre es fahrlässig, aus den Wahlkampfreden eins-zu-eins auf die künftige Politik schliessen zu wollen - auch bei Obama haben sich die Versprechen von "Schliessung des Guantanamo-Gefangenen-Camps" oder "Abschaffung aller Atomwaffen" trotz 2 voller Amtszeiten in warme Luft aufgelöst (neben vielen anderen Themen). Bei Donald Trump kommt ein ganzes Berufsleben voller vollmundiger Werbeversprechen für seine vielfältigen Immobilien- und sonstigen Unternehmungen hinzu - kaum anzunehmen, dass er übergrosse Gewissensbisse ob eventuell gebrochener Wahlversprechen empfinden würde.

Kann man denn an den bisher bekannt gewordenen Besetzungen für seine "Administration" nicht doch etwas ablesen? Vielleicht - aber man muss bedenken, dass die Stellung eines "Secretary of ..." wesentlich schwächer als z.B. in der BRD ist. De facto kann ein in Ungnade gefallener Minister von heute auf morgen entlassen werden und hat dann noch nicht einmal ein Parlamentsmandat, auf das er zurückfallen könnte - entsprechend "zahm" sind die meisten dieser Amtsträger. So wurde Colin Powell - wegen seines "Desert-Storm-Ruhms" selbst schon als "präsidiabel" gehandelt - zu einem der blassesten Aussenminister der jüngeren Zeit. Umgekehrt gab es Überraschungen: So entpuppte sich der unauffällige Richard Cheney als der massgebende Gestalter der US-Aussenpolitik (und eines Gutteils der Innenpolitik) unter Präsident George W. Bush - und das vom Amt des Vizepräsidenten aus (von der Verfassung eigentlich nur als Repräsentationsposten vorgesehen).

Jene Leute, die im Unterschied zu mir von Ihren geschriebenen Texten leben müssen, haben aber in den letzten Wochen reichlich Material über Donald Trump produziert - was m.E. angesichts der Sachlage oft nur den Charakter von Kaffeesatzleserei hat.

Interessant war aber, wer da als verantwortlich für den Wahlsieg Donald Trumps ausgemacht wurde:

- die "Abgehängten" (haben sie sich selber abgehängt oder wurden sie - von wem - abgehängt?)

- die "Deklassierten" (nach wessem Klassenverständnis?)

- die "Verlierer" (dann wird es auch - wo? - Gewinner geben?)

- die "Bildungsfernen" (auch hier die Frage, ob sich die so betitelten selber ins "Bildungsabseits" gestellt haben, oder ob sie abgedrängt wurden?)

- die "sozial schwachen" (sind diese Leute selber schwach in sozialer Verantwortung, oder eher die Leute, die z.B. aus der "Arbeitskräfte-Freisetzung" Profit gezogen haben?)

- die "Globalisierungsverlierer" (siehe Verlierer)

- die "angry white men", oder ins Deutsche übertragen...

- die "Wutbürger".

Interessant auch, dass alle diese Gruppen ja eigentlich Minderheiten sind oder sein sollten (schliesslich soll doch z.B. die Globalisierung eigentlich immer nur "Gewinner" erzeugen). Trotzdem ist auf rätselhafte Weise eine Mehrheit für Trump daraus entstanden...

Und noch rätselhafter: Hillary Clinton konnte trotz Riesen-Etat, trotz wissenschaftlicher Bearbeitung von "focus groups", trotz (mindestens in der Schlussphase) entschiedener Unterstützung der grossen Medien den sicher geglaubten Wahlsieg nicht "einfahren".



Vor ziemlich genau 100 Jahren hielt sich ein deutscher Aussenminister für einen Kenner der US-amerikanischen Seele - weil er einmal für ein paar Wochen durch die USA gereist war *2. Ich werde diesen Fehler nicht nachmachen, nur weil ich auch zweimal urlaubsmässig in den USA unterwegs war. Insofern überlasse ich Mutmassungen der obigen Art anderen und hoffe auf eine in der Zukunft erfolgende, vielleicht wissenschaftlich untermauerte Analyse der sozialen Umstände für das Wahlergebnis vom 8.November.



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Was die Politik Donald Trumps, wenn er denn Präsident geworden ist, angeht, kann man m.E. nur für 2 Bereiche halbwegs fundiert eine Prognose wagen:

a) In der Umwelt- und Klimapolitik wird es vermutlich und bedauerlicherweise zu einer Abkehr von regenerativen Energien, Energieeinsparung, CO2-Reduktion kommen. Stattdessen wohl Ausbau aller konventionellen "big-business"-Energieträger. Denn hier trifft sich die vielfach bekundete Überzeugung Donald Trumps, dass es gar keinen anthropogenen Klimawandel gäbe, mit den Wünschen der ganz grossen Konzerne, für die Umweltschutz in der Regel nur lästig ist.

b) Das TTIP-Abkommen wird von der neuen US-Regierung vermutlich nicht mehr weiter verfolgt werden. Hier deckt sich die plakative Wahlkampfaussage Trumps mit den Interessen der bisher TTIP fordernden Konzerne. Denn diese haben längst erkannt, dass ein in ihrem Sinne günstig ausverhandeltes CETA einem "schlecht" ausverhandelten TTIP in jedem Falle vorzuziehen ist.

Josef Joffe, der Berufs-Atlantiker der "ZEIT", spöttelt in der letzten Ausgabe seines Blattes über die TTIP-Kritiker in Europa, die Donald Trump jetzt doch Dankes-eMails schreiben müssten, und auch der bewährte Vorwurf der Putin-Nähe ("Männerfreundschaft Trump-Putin", "Putin-Versteher" in Europa) darf nicht fehlen. Das ist die bewährte Verleumdungs-Masche: Rücke diejenigen, deren Sachargumente du nicht entkräften kannst, in bedenkliche Nähe zu unappetitlichen Personen - und schon geht es in der Debatte nur noch um scheinbare "Querfronten" etc.

Wenn die ZEIT in der letzten Ausgabe (50/2016) "Vermisst: Respekt" titelt und Redakteur Bernd Ulrich mehr Respekt für unsere gegenwärtige Politikerriege (Merkel, Gabriel, von der Leyen, Schulz etc.) einfordert, so sei daran erinnert, dass man sich Respekt erst verdienen muss. Oder eben auch verlieren kann: durch vertuschen, auslassen, verdrehen, instrumentalisieren, ausgrenzen – alles Disziplinen, in denen nicht nur die 4 genannten Politiker reichlich Kapazität gezeigt haben.

Ob jene Politiker, die jetzt so schnell als "populistisch" kategorisiert wurden, es tatsächlich besser machen können oder würden, ist natürlich fraglich. Mindestens den "benefit of the doubt" muss man Ihnen aber einräumen.

Deshalb sehe ich keinen Grund, warum ich mich nicht freuen sollte, wenn die USA unter Trump wirklich aus TTIP aussteigen oder tatsächlich weniger kriegerische Auslands-Interventionen unternehmen sollten. Weil es ein "Rückfall in Nationalstaatlichkeit" wäre?

Mir ist ein funktionierender Nationalstaat, der Achtung vor der Souveränität anderer Staaten hat, jedenfalls lieber als ein in allen Ecken ächzendes Suprastaats-Kontrukt wie die EU oder eine sich für ihre mannigfachen Kriege permanent auf "American Exceptionalism" berufende USA.



Kommen wir zur zweiten Frage im Titel:

Muss man über Time Warner Inc. schreiben?

Jede Woche bekomme ich eine neue Ausgabe von TIME, und in der Rückschau auf die Titel des vergangenen Jahres würde ich folgende These wagen:

TIME hat sehr bewusst versucht, Hillary Clinton ins Weisse Haus zu bringen - und ist mit seiner eigenen Strategie leider "voll auf die Nase" gefallen.

Wie ging das vor sich? Als Clinton noch gegen Bernie Sanders in den Vorwahlen stand, war praktisch kein Wort über Sanders' Thesen und Vorschläge in TIME zu lesen. Auch die von TIME sonst immer reichlich verwendeten Infografiken und Tabellen - hier Fehlanzeige. Dafür reichlich Fotostrecken und Kommentare über die tapfere Wahlkämpferin Clinton.

Bei den Vorwahlen der Republikaner wurde zwar manchmal wohlwollend über die "Establishment"-Kandidaten, z.B. Jeb Bush, berichtet. Sobald aber die "populäre" Wirkung Trumps sichtbar wurde, wurde fast nur noch über Trump berichtet. Inhaltlich zwar manchmal kritisch - aber in einem Umfange, der dem bescheidenen Programm eigentlich vollkommen unangemessen war. Mehrere Titelstorys, mehrseitige Reportagen, grosse Fotostrecken - da wurde m.E. jemand wichtiger gemacht, als er war.

Da liegt der Gedanke nahe, dass die Sache volle Absicht war. Indem man mit Trump einen "eigentlich unwählbaren" überlebensgross darstellte, wollte man für die nur begrenzt Begeisterung hervorrufende Hillary Clinton das passende "negative Abziehbild" schaffen, vor dem sie umso brillianter aussehen sollte.

Nur wurde die Trump-Kampagne zunehmend zum Selbstläufer, und aus dem komfortablen Abstand in den Meinungsumfragen wurde ein immer knapperes Rennen. Entsprechend wurde in den TIME-Kommentaren in den letzten Ausgaben vor dem Wahltermin immer bemühter auf die "überlegene, erfahrene Politikerin" abgehoben. Und das letzte Titelbild vor der Wahl war schliesslich total selbstreferentiell: Ohne Verweis auf ein vorhergehendes Titelbild mit dem stilisierten Gesicht von D. Trump waren die Titelbild-Farbkleckse garnicht als der prognostizierte "total meltdown" von Trump erkennbar.



Wie gesagt - am Ergebnis gemessen war die TIME-Berichterstattung dann doch nicht erfolgreich. Es würde mich nicht wundern, wenn diese "Darstellungskurve" auch bei anderen US-Medien zu beobachten gewesen wäre. Für entsprechende Hinweise bin ich dankbar.



(Dezember 2016)


*1 Das vollständige Zitat lautet: "Als ein Argument für den Föderalismus habe ich in dem Buch aufgeführt, dass sie als Bewohner einzelner, kleinerer, allenfalls mittlerer Staaten sehr umgänglich und anständig sind, aber als Bewohner einer Grossmacht werden sie unangenehm." - Sebastian Haffner in einem Interview im Februar 1989 über die Deutschen und sein im englischen Exil erschienenes Buch "Germany: Jekyll and Hyde"

*2 Jener Minister Zimmermann verursachte schliesslich das grösste Fiasko der kaiserlichen Aussenpolitik - hervorragend beschrieben im Buch "The Zimmermann Telegram" von Barbara Tuchman.