Fahrbericht Renault ZOE - oder:

Mit dem Nanny-Auto die Welt retten?



1. Das Carsharing-Auto

Seit vielen Jahren nutze ich Car-Sharing, was vor allem im Winterhalbjahr dazu führt, dass ich durchaus verschiedene Automodelle kennenlernen darf. Allzu wählerisch bezüglich des Automodells darf man bei diesem System natürlich nicht sein, wer auf ein bestimmtes Modell fixiert wäre, müsste sehr lange im Voraus buchen und u.U. lange Anfahrtswege zum jeweiligen Stellplatz in Kauf nehmen. So ist bei der jeweiligen Buchung für mich das Hauptkriterium - neben ausreichend Platz für die jeweilige Transportaufgabe - vor allem die schnelle Erreichbarkeit (zu Fuss oder per Strassenbahn).

Seit einigen Monaten hat die Freiburger Carsharing-AG den für mich nächsten Stellplatz mit 2 Elektroautos von Renault namens "ZOE" bestückt samt der notwendigen Ladesäule. Das ist der Grund, warum ich nun schon einige Male mit diesem Modell unterwegs war. Diese auffällig grün-weiss lackierten bzw. folierten Fahrzeuge mit dem Schriftzug "my-e-car" sorgen beim Abstellen oder Öffnen ganz oft für Nachfragen von Passanten, etwa "Wie fährt sich denn sowas?" oder "Ist der wirklich so leise, wie man sagt?" Grund genug, einen sogenannten Fahrbericht auf meine Website zu stellen- eine Premiere.



2. Eigentlich ganz normal...

Wer bisher sonst ein Fahrzeug mit Automatikgetriebe bewegt hat, wird mit dem ZOE kaum Probleme haben. Im Fussraum ein "Gas-" und ein breites Bremspedal, auf der Mittelkonsole ein Schalt-(?)-Hebel mit den üblichen Stellungen P-R-N-D. Wer die Kabel gelöst und die Chipkarte eingelegt hat, kann (fast) gleich loslegen und sich eines mindesten bis etwa Tempo 60 sehr leisen Autos erfreuen. Rätselhafterweise hat Renault diese "Automatik"-Mimikri soweit getrieben, dass in Stellung D sogar die bei mechanischen Automatikgetrieben unvermeidbare Kriechneigung nachgestellt wird. Bei höherem Tempo sind dann - wie bei anderen Autos auch - die Abroll- und Wingeräusche so vorherrschend, dass zumindest mir das Auto nicht mehr wesentlich leiser vorkam als etwa mein privater Twingo.

Etwas gewöhnungsbedürftig ist ein vor allem im Schiebebetrieb um die 30 km/h auftretender, vielleicht als langgezogener "Gong"-Laut beschreibbarer Akustikeffekt. Von Fahrerseite sonst zu berichten: Der Wagen federt sehr angenehm, allerdings wohl weniger aufgrund seines sehr konventionellen Fahrwerks (Längslenker hintern, McPherson-Federbeine vorn) sondern aufgrund der hohen Masse von über 1,5 Tonnen - "Trägheitsdämpfung" nannte man das früher. Die aktuelle Fahrzeugmode, die kleine (nicht ausstellbare) Dreiecksfenster in den Vordertüren vorschreibt - vermutlich des "van-liken" Aussehens wegen - sorgt dafür, dass die Aussenspiegel deutlich zu weit nach hinten versetzt sind. Ansonsten waren mir als langjährigem Renault-Fahrer - bis auf die in die Prallplatte versetzte Hupenfunktion - die Bedienelemente ziemlich vertraut, wobei ich aber nicht in die Tiefen der diversen Tasten-Helferlein vorgedrungen bin.



3. Kinderfeindliches Familienauto?

Der ZOE wird ausschliesslich 4-türig angeboten, und insofern könnte man erwarten, dass eine gewisse "Familientauglichkeit" gegeben ist - insbesondere, wenn man an die lange Tradition solcher Fahrzeuge in unserem Nachbarland denkt. Positiv werden Kinder sicher aufnehmen, dass sie auf der Rückbank rund 10 cm höher sitzen als in vergleichbaren Autos, und möglicherweise erleichtert das auch das Platzieren von Kleinkindern im Kindersitz. Freilich haben im Gegenzug selbst eher kleine Erwachsene wie ich wenig Kopffreiheit, und vor allem: da der Fahrzeugboden keinerlei "Fussraum-Mulden" bietet, sitzt man mit ungemütlich angewinkelten Beinen hinter dem Vordermann. Dass in dem von mir gefahrenen Fahrzeug die Rücksitzbank komplett mit schwarzem Stoff ausgeschlagen war (erfahrungsgemäss rasch ein "optischer Alptraum" bei keksbröselnden oder eis-schlürfenden Kindern) erscheint mir auch eher weniger kinder-geeignet.

Ein wirkliches (und potentiell gefährliches!) Ärgernis sind die äusseren Türöffner der Fondtüren. Ebenfalls dem Diktat der aktuellen Mode folgend, sind diese weit oben und komplett verdeckt angebracht. Als ich diese zum erstenmal öffnen wollte, glücklicherweise bei Tageslicht, konnte ich den auf der mickrigen Bedienplatte eingravierten Bedienhinweis richtig deuten. Ob aber einem Notfallretter in einer Unfallsituation dafür die Zeit bleibt?



4. Der "Nanny"-Aspekt

Zum Ausgleich für diese kinderfeindlichen Aspekte folgt auch der ZOE dem aktuellen Trend, dem Fahrer wie eine Kinderfrau oder neudeutsch "Nanny" alles mögliche vorzuschreiben. Z.B. die Startprozedur: Nachdem man die Ladekabel abgenommen hat und die oft etwas störrische (gleichzeitig wenig stabil erscheinende) Steckerabdeckung zugeschlagen hat, könnte man nach Einstecken der Chipkarte in den entsprechenden Schlitz im Armaturenbrett doch eigentlich losfahren. Aber obwohl der Wählhebel auf "P" steht und die Handbremse angezogen ist, meldet das Mitteldisplay nach Druck auf den Startknopf (eigentlich auch ein unnötiger Gag) "erst Bremse betätigen". Ist das Fahrzeug dann laut Anzeige "ready", kann es endlich losgehen.

Schaltet man das Radio (oder "Multimediamodul") ein, bekommte man einen Hinweis, dass man bitte die Strassenverkehrsregeln beachten und vorsichtig fahren möge. In diese Anzeige integriert ist der Hinweis, ob man der "Weitergabe der Fahrzeugdaten nach ausserhalb" zugestimmt habe oder nicht. Dies alles ist dann mit einer Touchscreen-Fläche "Bestätigen" sozusagen abzusegnen, bevor man sich der Auswahl des Radiosenders zuwenden kann. Überflüssig zu sagen, dass irgendwelche feste Stationstasten dem Drang nach "smoothness" weichen mussten und man stattdessen erst in den Touchscreen-Menus nach der Funktion "Preset" suchen muss.

Wer vor einer Ampel den Wagen ausrollen lässt und schon einmal die Handbremse zieht, wird oberhalb Schrittgeschwindigkeit mit Warntönen ermahnt, solche Scherze zu unterlassen. Das Fahrzeug mit zugeschlagenen Türen zu verlassen, ohne die "Lock"-Funktion an der Chipkarte auszulösen, wird ebenfalls mit Warntönen bestraft, und der ZOE verriegelt sich selbst. Sehr praktisch, wenn man bei Regen zum Be- oder Entladen mehrfach ans Auto muss und dann immer wieder die Chipkarte zum Entriegeln zücken muss...



4. Die Reichweite

In dem, was man früher "Tacho" nannte, aber eben nur ein weiteres "Multifunktionsdisplay" ist, fehlen natürlich Drehzahlmesser, Oeldruckanzeige und die anderen schönen Uhren, mit denen etwa Alfa Romeo seinerzeit das "Cockpit" verzierte. Die zentralen Anzeigen im normalen Fahrbetrieb sind das Tempo (leider nur digital), die Stellung des Wählhebels (P-R-N-D) und die errechnete Rest-Reichweite. Wer die empfohlene ECO-Funktion abschaltet und, wie ich es einmal kurzzeitig auf der Autobahn tat, auf etwa 120 km/h beschleunigt, kann praktisch zusehen, wie die Reichweite zusammenschnurrt (übrigens ein anschaulicher Hinweis darauf, dass ein allgemeines Tempolimit tatsächlich Energie sparen würde). Wer dagegen im ECO-Modus bei maximal Landstrassentempo unterwegs ist, kann vermutlich davon ausgehen, dass die beim Start angezeigte Reichweite (bei diesem Modell vollgeladen 280 km), wirklich erreichbar ist.

Was aber, wenn das Auto nicht voll geladen ist? Genau dies ist mir bei einer meiner Buchungen passiert. Entweder hatte mein Vornutzer die Ladeprozedur nicht richtig eingeleitet, oder ein technischer Defekt verhinderte das Aufladen über Nacht. Als ich das Auto öffnete, wurde ein Restladestand von 18% oder rund 50km Reichweite angezeigt. Zweifelhaft, ob ich damit meine Fahrt hin- und zurück würde abspulen können. Bei einem Benzinauto wäre das kein grosses Problem gewesen, einfach zur nächsten Tankstelle fahren, volltanken und "gut ist". Da Renault je nach Ladetechnik Ladezeiten von 22 bis minimal 3 Stunden nennt, hätte ich aber wohl mindestens 1 Stunde an der Ladesäule verharren müssen, um eine halbwegs ausreichende Strommenge zu "tanken". Natürlich hat mir die Carsharing AG mit einem anderen Fahrzeug ausgeholfen (Dank an dieser Stelle!), aber die vertrödelte Zeit (Telefonate, Anfahrt zum anderen Auto) war natürlich nicht mehr wettzumachen.

Die Achillesfersen des ZOE sind also, wie bei allen anderen batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen, die Reichweite und die Ladedauer.



5. Unterm Blech

Diese Grafik stellt die Lage der Batterie im ZOE-Fahrzeugboden dar. Man erkennt jetzt auch klar, warum die Rücksitzbank so hoch ist und es keine "Fussraummulden" für die hinteren Passagiere gibt - dort ist eben die Batterie:




Das nächste Bild stellt einen der Standard-20-Liter-Reservekanister dar, wie er z.B. bei der Bundeswehr oft verwendet wurde:




Ein modernes Auto der Kompaktklasse kommt mit den 20 Litern Benzin in diesem Kanister - wie der ZOE - ebenfalls rund 280 km weit (Kleinwagen eher über 300 km). Während aber die ZOE-Batterie - egal ob vollgeladen oder nicht - ein Gewicht von 305 kg hat, wiegt selbst der schwere Blechkanister mit Füllung fast exakt nur 20 kg. Man beginnt zu erahnen, warum unsere Vorväter, als sie vor der Wahl standen, entweder holzgefeuerte Dampfautos, batteriebetriebene Elektroautos oder eben die benzingetriebenen Autos mit Kolbenmotor in grösseren Serien zu produzieren, dann ziemlich bald und weltweit dem "Benzinauto" den Vorzug gaben. Die Energiedichte ist bei Benzin schlicht um ein mehrfaches höher.

Schauen wir uns ein noch ein historisches Rekordfahrzeug an:




Der Autobilpionier Camille Jenatzy erreichte mit diesem Automobil im Jahre 1899 als erster die Geschwindigkeit von 100 km/h. Und dieses Fahrzeug mit dem Namen "La Jamais Contente" war elektrisch angetrieben!

Während es mit seinen Blei-Akkumulatoren zwar vermutlich eine wesentlich geringere Reichweite als der ZOE hatte, erinnert das "Tempo 100" an die auch heute noch von Renault (via ECO-Modus) favorisierte Höchstgeschwindigkeit. Irgendwie herzlich wenig Fortschritt in über 100 Jahren, so scheint es...



6. Auf der Suche...

Manche Flüsse, auch der Rhein, führen in Ihrem Gesteinsgeschiebe kleine Goldpartikel. Wenn aber an einem konkreten Fluss sehr viele Menschen über lange Jahre nach solchen Goldkörnchen Ausschau halten, aber nie welche finden, dann liegt der Schluss nahe, dass der betreffende Fluss schlicht keine Goldteilchen führt. Ein bisschen so ähnlich ist es bei Elektrobatterien: Seit Herrn Jenatzys Zeiten, also seit über 100 Jahren, wird nach der "ultimativen" Batterie gesucht *1, die wenigstens annähernd die Leistungsdichte konventioneller Kraftstoffe erreicht, aber bislang wurde nichts dergleichen gefunden.

Es hat natürlich schon Fortschritte gegeben. Von den Bleiakkus über die Nickel-Cadmium- und die Nickel-Metallhydrid-Zellen bis zu den Lithium-Ionen-Zellen, wie sie in ZOE, Tesla und anderen modernen E-Autos Dienst tun, ist schon ein spürbarer Fortschritt zu verzeichnen. Gleichzeitig ist auch die bisher modernste Variante, wie sie eben auch im ZOE verbaut ist, noch weit davon entfernt, die Energiedichte des simplen 20-Liter-Benzinkanisters zu erreichen. Und wenn die Anforderung ein reversibler elektrochemischer Prozess ohne laufende Nachfüllung externer Energieträger ist, so ist es sehr wahrscheinlich, dass es auch gar keine Materialien oder Verfahren gibt, die einen Leistungssprung in diese Grössenordnung ermöglichen würden. Wenn unsere Bundesregierung nun ein Batterieforschungszentrum der Automobilindustrie mit 500 Millionen Euro bezuschussen will, so ist die Chance hoch, dass da in eine Sackgasse investiert wird.

Wobei man sicher noch einiges an z.B. den Lithium-Ionen-Zellen erforschen und verbessern kann, nicht zuletzt die Gefährdung durch Selbstentzündung. Dass die Industrie keine Anstalten macht, ein halbwegs schlüssiges Recycling-Konzept für die - bei angestrebter flächendeckender "Elektromobilität" - jährlich anfallenden Massen von verbrauchten Batterien aufzustellen, sollte nicht verwundern. Dass die Bundesregierung hier ebenfalls den Kopf in den Sand steckt, lässt leider an den politischen Umgang mit der Entsorgung von Atommüll denken. Mit Begeisterung hat man damals eine angebliche Zukunftstechnologie gefördert, ist aber über das immer schon bekannte Problem der "Entsorgung" des Atommülls hinweggegangen, oder aber man hat Schein- und Zwischenlösungen wie das nunmehr berüchtigte Zwischenlager Asse angeschoben.



7. Sauber, sauber - aber wo?

Die spontane Sympathie, die einem beim Hantieren mit dem ZOE oder anderen Elektromobilen entgegenschlägt, ist natürlich sehr erfreulich. Klarer Fall - das Auto hat keinen Auspuff, also können auch keine Stickoxide, kein Kohlenmonoxid, keine Benzole ausgestossen werden. Schon beim Feinstaub sieht die Sache aber anders aus - beim Bremsen und Fahren entstehen solche Stäube auch beim blitzblanken E-Mobil. Und natürlich muss die Energie, der "Saft", ja irgendwoher kommen. Bei vielen der Car-Sharing-E-Mobile verweisen Aufkleber auf angeblich "100% Öko-Strom", der sie antreibe. Diese Absichtserklärungen sind natürlich schön und gut, aber wenn der Himmel bedeckt und ist und kein Wind weht, dann wird der konkret das E-Mobil aufladende Strom eben doch aus Kohle, Oel, Gas oder gar Kernenergie kommen. Es kommt eben auf den durchschnittlichen jährlichen Energiemix an, und den verschiedenen Absichtserklärungen der Bunderegierungen bezüglich Ausweitung der "Erneuerbaren" ist in den letzten Jahren meist entschiedenes Nicht-Handeln gefolgt. Oder gar kontraproduktive Massnahmen wie die 1000-Meter-Regel für Windkraftanlagen. Eigentlich wäre es ehrlicher, die schönen Aufkleber mit dem grünen Stromkabel um einen schwarzen Schlauch zu ergänzen, der in einen qualmenden Kraftwerksschlot mündet.



9. Die Reichweite

Klar ist, dass ein Auto, welches nach ein paar hundert Kilometern durch den Aufladeprozess stundenlang immobilisiert wird, für die meisten Autonutzer kein Ersatz für das typische "Universalauto" sein wird oder sein kann. Wenigstens für dieses Problem gäbe es ein schon seit den 1920er Jahren bekanntes Verfahren. In neuerer Zeit (2007) startete in Israel ein Unternehmen eine Pilotphase mit einem System, welches den Wechsel der Batterie in wenigen Minuten automatisiert bewerkstelligte - siehe https://www.handelsblatt.com. Nur ist klar, dass so etwas nur mit einer klaren, staatlichen Normensetzung, die den möglichen Formen- und Anschlusswildwuchs bei den Wechselbatterien auf 2 oder 3 Typen reduziert, würde funktionieren können. Ausnahmsweise hätte hier sogar die Europäische Union sinnvoll eingespannt werden können. Hat man von Bundesregierung oder EU-Kommission auch nur eine Diskussion über so etwas gehört? Mittlerweile dürfte es für solche Bemühungen endgültig zu spät sein.



10. Die weitere Perspektive

Verlassen wir den "Autotester"-Standpunkt, der notwendigerweise um das einzelne Fahrzeug kreist, und begeben uns auf die Ebene eines Raum- oder Verkehrsplaners, oder wie es heute heisst, "Mobilitätsdesigners". Wofür eignen sich also die heutigen Elektromobile unter diesem Gesichtspunkt überhaupt? Offenbar entweder für Pendelfahrten in einem Radius etwa bis zur halben Reichweite, oder aber - bei Vorliegen einer Lademöglichkeit am Ziel - für Ziele fast bis zur Maximalreichweite. Für alles andere, eben das "Universalmobil", wie es heute vorherrschend ist, aber eher nicht - es sei denn man wäre bereit, Unsummen für eine Ladeinfrastruktur auszugeben, die eine unvorstellbare Dichte *2 haben müsste.

Folgerichtig ist die Nutzung der meisten e-Mobile wie des ZOE die eines klassischen Pendler- oder Zweitwagens. Aber dafür hat der Verkehrsplaner eigentlich schon längst eine viel bessere Art von Elektromobilität zur Verfügung - nämlich die elektrisch angetriebenen Lokomotiven und Triebwagen des regionalen Bahnverkehrs. Und auch technisch ist der Vorteil ganz klar: Das ganze Problem von Akkugewicht und Reichweitenbegrenzung fällt weg - der Strom kommt ja aus der Oberleitung *3. Dazu wird relativ viel weniger Verkehrsfläche benötigt, und auch die Feinstaub-Bilanz ist besser.

Umso erstaunlicher, dass unsere werte Bundeskanzlerin, wann immer sie von "Förderung der Elektromobilität" spricht, immer nur Elektro-Pkw im Sinn zu haben scheint.



11. Blick zurück in die Zukunft mit System

Schon in den 1980er Jahren verwiesen Experten wie Ludwig Bölkow auf die Vorteile einer grossteiligen Umstellung auf Wasserstoff als Energieträger hin. Nun ist Wasserstoff zwar keine Energiequelle wie (Roh-)Oel, aber ein sehr universell verwendbarer Energieträger, für den es seit Jahrzehnten bewährte Verfahren für Herstellung, Lagerung und Transport gibt. Am Endpunkt, bei der "Verbrennung" von H2 mit O2 - sei es direkt oder in einer Brennstoffzelle - entsteht schadloses Wasser (H2O). Als Energieträger hat es (abhängig von der "Darreichungsform") sehr ähnliche Netto-Energiedichten wie unser altbekanntes Benzin oder Diesel. Alle bekannten Betankungsverfahren spielen sich in wenigen Minuten statt Stunden ab, was H2 für alle Strassenfahrzeuge automatisch viel geeigneter macht.

Und vielleicht am wichtigsten: Es kann die bisherige Achillesferse aller "erneuerbaren Energien" wie Wind- und Solarenergie, die schwankende Erzeugungsmenge und -Zeit, hervorragend ausgleichen. In den Überschussphasen wird die elektrische Energie dann zur Erzeugung von Wasserstoff verwendet, welcher gelagert und transportiert werden kann. Auch dürfte der Übergang zur "H2-Wirtschaft", etwa beim Versorgungsnetz, wesentlich einfacher zu haben sein. Statt 10-millionenfach gänzlich neue Ladepunkte (samt unteridischer Stromleitungen) zu installieren, könnten die vorhandenen Tankstellen für fossile Treibstoffe nach um nach um H2-Tankpunkte ergänzt bzw. schliesslich ersetzt werden.

Gelegentlich wird eingewendet, dass der Gesamt-Wirkungsgrad, gerechnet von der Erzeugungs-Stromquelle bis zum endgültigen Verbraucher, recht schlecht sei. Das ist einerseits richtig, vergleicht aber Äpfel mit Birnen, denn es handelt sich ja eben nicht um eine Energiequelle. Andererseits haben wir gerade bei Solarenergie eigentlich ein verschwenderisches Überangebot an verfügbarer Energie. Der frühere Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme, Eicke Weber, hat dafür gerne folgende gedankliche Demo benutzt: Nimmt man einen üblichen Schul-Erdglobus und deckt Teile der Sahara mit 2 Briefmarken-grossen Zettelchen ab, so hat man damit die Fläche an Solarmodulen abgesteckt, die zur Deckung des GESAMT-Energiebedarfs der Erde nötig wären.



12. Pläne ohne Plan

Manch einer mag denken, dass die Entwicklung von Wasserstoff-angetriebenen Fahrzeugen noch soviel Zeit benötigen würde, dass ein vorläufiger Umweg über die Batterietechnik unvermeidbar sei. Daran kann ich aber kaum glauben, wenn ich z.B. in einer Zeitschrift der Daimler-AG schon 2009 über die Kleinserienfertigung des B-Modells in der Variante F-cell (Brennstoffzelle) lesen konnte. Es ist wohl so, dass die Technik, teilweise schon seit Jahrzehnten, in den "Schubladen" der Hersteller liegt. Was fehlt, ist ein Generalplan, der insbesondere für den "Aufbau der Infrastruktur" klare Zeitrahmen definiert und sich bei der Umsetzung desselben nicht auf das Wohlwollen von Produzenten und Konsumenten verlässt, sondern über direkte Investitionen ein immer dichteres Mindest-Produktions- und Versorgungsnetz schafft, bis jener kritische Punkt erreicht ist, wo die Technologie zum "Selbstläufer" wird.

Es gibt zwar inzwischen zahlreiche von der Bundesregierung initiierte Pläne und Arbeitsgruppen, oft mit pompösen Namen wie "Nationale Plattform Elektromobilität" oder "Nationale Plattform Zukunft der Mobilität", die "Kompetenz-Roadmaps" und "systemische Roadmaps" oder "Normungs-Roadmaps" erstellen - immer mit wesentlicher Beteiligung der (Automobil-)Industrie. Es werden inzwischen auch diverse Geldmittel in Form von "Förderprämien" ausgeteilt, wobei man z.B. die so grosszügig verteilte Elektroauto-Kaufprämie auch als Zweitwagen-Bonus für Besserverdiener ansehen kann.

Was man nicht findet, ist ein wirklich umfassender Generalplan, der dann auch zielstrebig umgesetzt wird. Stattdessen ein unbedingtes Beharren auf der Vorstellung, dass "der Markt" es schon irgendwie optimal richten werde. Da alle Ministerien, aber insbesondere das Verkehrministerium, in den letzten Jahren sehr damit beschäftigt waren, haus-eigene Expertise abzubauen und dafür immer öfter immer teurere externe Berater anzuheuern *4, ist diese "Planlosigkeit der Pläne" vielleicht sogar erwartbar.



13. Der Wunschpfad der Automobilindustrie

Entgegen dem Image, welches gerade Grosskonzerne gerne von sich entwerfen, sind diese bezüglich ihrer Hauptertragsprodukte durchaus keine "Innovationsmotoren". Es ist ja auch verständlich, dass man an Produkten, die gute Erträge erwirtschaften, keine kostenintensiven Änderungen implementieren will. Der US-Automarkt der 1950er bis 1960er Jahre war in dieser Hinsicht sicher "ideal", denn jährlich vorgenommene geringe Änderungen an Aussen- und Innendesign reichten, um technisch fast unveränderte Fahrzeuge teilweise jahrzehntelang abzusetzen. Dabei war bei den damaligen "grossen 3" (GM, Ford, Chrysler) sogar das technische Grundkonzept der Fahrzeuge meist gleich: Leiterrahmen, V8-Frontmotor, angetriebene Starrachse hinten, Trommelbremsen.

Dem widerspricht nicht, dass man damals wie heute immer wieder einmal auch technisch anspruchsvollere Fahrzeuge, sozusagen als "Lockvogel", anbietet. Die müssen sich, bei ihren geringen Stückzahlen, auch garnicht unbedingt "rechnen".

Technisch war die Industrie schon lange auf alle wesentlichen Konzepte für "e-Antrieb" vorbereitet, wie diese Grafik (wiederum von 2009) zeigt:




Nachdem die Politik keinem der möglichen Pfade eine erkennbare Priorität zuordnete, war es an der Industrie, selber den "richtigen Zukunftspfad" zu bestimmen, und man wählte das e-Automobil mit nicht wechselbarem Akku. Der Vorteil für die Industrie ist, dass aufgrund der inhärenten Reichweiten- und Ladeproblematik diese Fahrzeuge am ehesten einen Zusatzumsatz generieren. Etwas überspitzt formuliert: Der Audi-Q7-SUV-Fahrer kauft für sich und seine Gattin noch einen elektrischen VW e-UP und erntet beim Supermarkteinkauf oder bei der Spritztour in die City statt wie bisher Häme nun wohlwollende Kommentare wegen des "grünen" Fahrzeugs.

Kennzeichen für diese Strategie sind u.a. der e-Auto-Hype auf der letzten IAA bei nach wie vor forcierter Bewerbung von SUV - bei VW z.B. nennt man es gleich die "Volkswagen SUV-Familie".

Daneben steht die Bunderegierung ohne Konzept, aber mit der Bereitschaft, den Konzernen, die am lautesten nach Fördermitteln schreien, noch ein bisschen extra-Steuerzahlergeld nachzuwerfen.



14. Das lächelnde Amazon-Päckchen, die tapfere Greta und die Dinosaurier

Nachdem die Zukunft sozusagen höchstselbst in Gestalt der tapferen Greta Thunberg an die Türen der Politik geklopft hat, war es für unsere Politikerkaste höchste Zeit, endlich ein "wir tun doch 'was" in Form von "Klimapaketen" und "e-Mobilitäts-Prämien" zu simulieren. Freilich hat Klein-Greta mit mit ihrem zornigen "How dare you..." eigentlich die falschen adressiert, denn die meisten Top-Politiker der grossen Industrienationen verstehen sich wohl nur noch als Erfüllungsgehilfen der grossen (multinationalen) Konzerne. Diese Konzerne waren es, die zumeist schon seit den 1970er Jahren genau wussten, welche Folgen die Verbrennung fossiler Brennstoffe, aber auch die forcierte Verwendung von Plastik haben würde *5.

Auch ist der Zorn der "Fridays for future"-Aktivisten auf "alte weisse Männer" als Hauptverantwortliche für das klimapolitische Desaster fehlgeleitet, denn bei anderen "alten weissen Männern" hätten wir, das "zahlende Publikum", schon lange nachlesen können, was da schiefläuft: Noch sehr dezent 1969 bei Prof. Heinz Haber ("Unser blauer Planet", 1972 beim Bericht des Club of Rome ("Grenzen des Wachstums"), 1980 überreichlich detailliert im "Global 2000 Report to the President" *6 oder 1985 in Hoimar von Ditfurths "So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen", von allen seither diesem Thema gewidmeten kritschen Radio- und Fernsehreportagen und Zeitungsartikeln ganz abgesehen.

Es waren immer die Konzern-"Dinosaurier", die sich wesentlichen Änderungen ihrer Profitmethodik widersetzten, dabei zunehmend ausgeklügeltere Methoden der Meinungsmanipulation benutzend. Oder anders ausgedrückt: Es geht auch hier nicht um "alt gegen jung", sondern um "reich und mächtig gegen mittel- und einflusslos".

Als Beispiel, wo Politik sehr kurzfristig und sehr viel deutlicher "klimawirksam" tätig werden könnte, möchte ich - stellvertretend für den Versandhandel allgemein - die Firma AMAZON nennen. Jetzt, in der Weihnachtszeit, werden wir auf allen Kanälen mit schönen Videos bombardiert, in denen nicht nur die Amazon-Päckchen (computer-animiert) lächeln, sondern selbstverständlich auch alle KonfektioniererInnen und PaketzustellerInnen, ja am Ende werden die Kinder der so "beschenkten" Endkundenfamile gar von der Fahrerin persönlich geherzt! Dass das Versprechen, in 20 "Metropolregionen" sogar Bestellungen vom 23.12. noch am selben oder Folgetag auszuliefern, letztendlich nur mit viel Schweiss der KonfektioniererInnen und PaketzustellerInnen und innerhalb eines gnadenlosen Ausbeutungssystems möglich ist, erwähnt das Werbefilmchen natürlich nicht. Ist diesem ökologischen (Verpackungen), klimatischen (CO2- und NOx-Emissionen) und sozialen (Niedrigstlöhne) Wahnsinn schlicht nicht mehr Einhalt zu gebieten? Muss die Bundesregierung tatenlos zusehen, wie der deutsche Einzelhandel dezimiert wird?

Eine simple Gesetzesänderung, in wenigen Tagen beschliessbar, könnte da schon sehr viel mehr "für das Klima" tun als alle e-Auto-Prämien zusammen: Alle Versandhändler müssten verpflichtet werden, 5% der Warensumme oder mindestens 5 Euro je Paket bzw. je Päckchen als Tansportabgabe *7 dem Endkunden in Rechnung zu stellen, und die so erhobene Abgabe wäre an den Staat zu überweisen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit würde das Versand(un)wesen recht schnell wieder auf eine gesunde Grösse zurechtgestutzt.

Fragen Sie, liebe Leserin, lieber Leser, doch einmal "Ihren" Bundestagsabgeordneten, ob er so etwas unterstützen würde!



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Mein Resumee dieses etwas weit gefassten "Fahrberichts" ist leider enttäuschend: Fahrzeuge nach dem Konzept des Renault ZOE mögen für vielerlei Nutzungs-"Nischen" sinnvoll sein, eine "Lösung" im Sinne der ökologischen und klimatischen Problematik sind sie leider nicht.



(Dezember 2019)







Fussnoten:


*1 Die Kriegsmarinen der Welt zählten schon in den beiden Weltkriegen zu den intensiven Förderern von Forschung auf diesem Gebiet, da ja die Kampfkraft und Einsatzfähigkeit von Unterseebooten ganz direkt von der Kapazität der Batterien abhängt.

*2 Bezüglich der Anzahl der bis 2050 in der BRD benötigten Ladepunkte für batterieelektrische Fahrzeuge nennt eine aktuelle Studie "je nach Szenario" 10-40 Millionen (siehe infrastrukturstudie-elektromobilitaet - zum Vergleich: Die Anzahl der Tankstellen betrug 2019 unter 15'000. Selbst wenn man sehr grosszügig davon ausgeht, dass wirklich jede Tankstelle 30 Zapfpistolen anbieten würde, errechnen sich daraus weniger als 500'000 "Tank-Punkte". Weiter muss ja jeder Elektro-Ladepunkt auch einen möglicherweise mehrstündig genutzten Parkplatz darstellen, eine Anforderung, die sich insbesondere an den Raststätten des Autobahnnetzes oft als schlicht unerfüllbar erweisen könnte.

*3 Bei S- und U-Bahnen wird anstelle der Oberleitung oft eine Stromschiene verwendet, der Vorteil ist derselbe: Das Fahrzeug muss keinen Stromspeicher mitbewegen.

*4 Vergleiche etwa die ausgedehnten Beraterskandale in Verkehrsministerium (z.B. bei der Maut) und Verteidigungsministerium (zahlreiche Beschaffungs- und Logistikprojekte, z.B. "Gorch Fock").

*5 Zu CO2-Anstieg und Erderwärmung und EXXONs Rolle dabei: https://www.scientificamerican.com/ oder https://www.spektrum.de/ , zur Frage der Verwendung von Plastikflaschen bei Coca-Cola: https://theintercept.com , in einer Reportage der französischen Filmemacherin Sandrine Rigaud (https://www.news24.com) oder in der Originalstudie von Dr. Arsen Darney aus dem Jahr 1976 (!): https://www.princeton.edu/

*6 Die deutsche Übersetzung von "Global 2000" war für den jungen Verlag Zweitausendeins ein Verkaufserfolg.

*7 Die hier genannten 5% bzw. 5 Euro sind nur ein Beispiel, sicher kann man "fundiertere" Werte finden. Andererseits könnte man, wenn die Steuerungswirkung sich als nicht ausreichend herausstellen sollte, ebensogut auf 6-7-8-9 oder 10% bzw Euro erhöhen. Diejenigen, die auf Güter aus dem (spezialisierten) Versandhandel angewiesen sind, werden den Aufpreis sicher "verschmerzen" oder weitergeben können.



www.truthorconsequences.de