Der Fußstampfen-Kult



1. Eine Kneipe als Gotteshaus

Als in Grossbritannien wegen der Corona-Krise die Schliessung von Gaststätten verfügt wurde, kam ein pfiffiger schottischer Gastwirt auf die Idee, zusammen mit ein paar Freunden eine neue Glaubensgemeinschaft eintragen zu lassen und seine Kneipe zum Andachtsraum derselben zu erklären. Den Namen dieser neuen Glaubensgemeinschaft habe ich vergessen, vielleicht war es so etwas wie der "Kult des kühlen Bieres". Jedenfalls konnte er somit der Total-Schliessung seines Etablissements entgegenwirken und wenigstens für die neugefundenen Anhänger seines Kultes die gewohnten "geistigen" Wohltaten ausgeben.

Auch mir ist schon der Gedanke gekommen, dass ich, wenn ich an der Nordseeküste wohnen würde, einen ganz neuen Kult kreieren könnte, den ich "Kult der Fußstampfer" nennen würde.



2. Eine Andacht des "Kultes der Fußstampfer"...

...würde dann vielleicht so aussehen: Zu einer günstigen Stunde würde ich meine Glaubensanhänger (oder "Follower") auf die nächstgelegene Deichkrone führen, auf die durch die Ebbe freigelegte Wattlandschaft weisen und in pastoralem Ton rufen: "Seht, meine Brüder und Schwestern, das weite Land - schon bald wird es von einer unbarmherzigen Flut überspült werden." Und nach einiger Zeit werden meine Follower bemerken, dass da und dort schon Wasser fliesst, wo kurz vorher noch fester Boden sichtbar war. Und ich würde meine Follower auf jeden vom zuströmenden Wasser fortgerissenen Sandhaufen hinweisen, und ein neues Kapitel meiner Litanei aufsagen: "Sehet, die grosse Flut ist da, als Bestrafung für unser sündiges Leben, und sie wird steigen und immer mehr steigen, bis sie uns alle verschlungen hat." Aber schliesslich würde ich auch Trost und Hilfe spenden: "Es gibt nur einen Ausweg aus der Gefahr, und zwar müssen wir alle gemeinsam alle fünf Minuten dreimal kräftig mit dem Fuß aufstampfen. Sind wir nur alle einig in unserem Fußstampfen, so wird Gott der Herr noch einmal Gnade walten lassen und die Flut weichen lassen."

Je mehr die Panik angesichts der steigenden Flut um sich greift, umso mehr stimmen schliesslich in das gemeinsame, rhythmische Fußstampfen ein. Gelegentlich würde ich meinen Blick über meine Herde streifen lassen, und erblickte ich einen, der nicht oder nur halbherzig am kollektiven Gestampfe teilnimmt, so würde ich mit dem Finger auf ihn zeigen und rufen: "Sehet, soeben hat es den schönen Strandkorb verschlungen, nur weil dieser ungläubige Thomas nicht mitstampfen wollte!" Und hunderte Augenpaare würden sich strafend auf den Abweichler richten, bis auch dieser sich - vielleicht auch nur mürrisch - in die Kulthandlung einreiht. So vergehen die Stunden mit Predigten, Ermahnungen und unablässigem Gestampfe. Schliesslich würde ich, nach einem verstohlenen Blick in meine Gezeitentabelle, endlich zu hoffnungsvollen Tönen kommen: "Nur noch etwas Geduld, meine Brüder und Schwester, nur nicht nachlassen im Stampfen, denn unser Werk ist gottgefällig, deshalb wird schon bald die Flut nachlassen!"

Kaum merklich zunächst wird dann die Flut wirklich nachlassen, bis für alle sichtbar das Meer den Rückzug antritt. Müde, aber voller Erlösung würden meine Kultgenossen ihren Prediger hochleben lassen: "Hättest du uns nicht den Weg gewiesen, hättest du uns nicht das so überaus wirksame Fußstampfen beigebracht, so würden wir jetzt alle bis zum Hals im Wasser stehen oder gar ertrunken sein!" Und voller Glückseligkeit würden wir dem Meer den Rücken zuwenden, um uns wieder in unsere Wohnungen zu begeben. Nur der Prediger wüsste, dass nach einer Weile das unermüdliche Meer wieder den nächsten Angriff auf das Land unternimmt, dass eben auf Ebbe Flut folgt.



3. Kulthandlungen von Atheisten

Rund ein Drittel der Deutschen bezeichnen sich mittlerweile als nicht-religiös, und wenn man annimmt, dass auch bei der Mehrzahl der Mitglieder der christlichen Kirchen wirkliche religiöse Überzeugung zur Seltenheit geworden ist, liegt man wohl nicht falsch. Eine faktische Mehrheit der Bundesbürger kann sich wohl in der a-Religiösität der Bundeskanzlerin durchaus wiederfinden. Trotzdem sind auch Atheisten durchaus zu Kulthandlungen fähig.

Ein solches Schauspiel erleben wir m.E. gerade in der Corona-Krise. Nachdem man den Bundesbürgern monatelang eingetrichtert hat, dass der erste "Frühjahrs"-Lockdown so wunderbar funktioniert habe, erscheint es nun einer Mehrheit ganz offensichtlich, dass nur ein zweiter "harter" oder "super-harter" Lockdown die Krise wird abwenden können. Auch dieser Glaube hat seine Rituale, manifestiert etwa beim Maskentragen. Und ebenso wichtig ist das Zusammenschweissen der Glaubensgemeinschaft durch Stigmatisieren von passiv Bleibenden oder Abweichlern.

Mein im vorigen Absatz skizzierter "Kult der Fußstampfer" ist natürlich eine satirische Überzeichnung. Aber vieles findet sich doch im Gestus der "Lockdown-Fans" durchaus wieder: Das trotzige "wenn es bislang noch nichts gebracht hat, muss jetzt eben doppelt hart durchgegriffen werden" ähnelt der Trotzreaktion eines Fünfjährigen mit aufgeregtem Fußstampfen. Die strafende Reaktion auf Abweichler erfolgt durch "vernichtende" Blicke oder in der heutigen Online-Welt durch "vernichtende" Posts und Gegenposts auf Facebook oder in Kommentarbereichen. Am wesentlichsten ist aber der Verzicht auf kritische Nachfragen, ob denn die "kultische" Handlung das befürchtete Unheil überhaupt technisch/sachlich abwenden kann.

Natürlich ist die wirkliche Situation etwas komplizierter als das imaginierte Szenario auf dem Deich. So ist jedem offensichtlich, dass Fußstampfen an Ebbe oder Flut nichts ändern kann - wohingegen manche der Anti-Covid-"Massnahmen" schon Sinn machen oder zumindest Sinn machen könnten. Maskentragen etwa mag im ÖPNV oder in Geschäften sinnvoll sein, im Klassenzimmer von Viertklässlern dürfte es aber praktisch nutzlos sein. Aber hier soll keine Kritik der Einzelmassnahmen unternommen werden.



4. Wellenberge und Wellentäler

Die auch für Covid19 benutzten Begriffe "erste Welle" und "zweite Welle" haben direkten Bezug zu den natürlichen Wellen in Seen oder Meeren. Deswegen habe ich auch bewusst die Metapher von der Flutwelle in meiner Kult-Satire verwendet. Und nachdem ich mich - wie viele andere auch - in den letzten Monaten doch recht intensiv mit der ganzen Corona-Thematik beschäftigt und auch allerhand Theorien dazu gelesen habe, bin ich mehr und mehr vom Wellen- bzw. Saisoncharakter auch der Covid-Epidemie überzeugt. So wie Ebbe und Flut sich abwechseln, so wechseln sich - zumindest in unseren Breiten - die Hoch- und Niedrig-Phasen grippaler Epidemien ab. Und als solche ist eben auch das "neuartige Coronavirus" letztendlich einzuordnen, wenngleich in diesem Falle ein ungewöhnlich "virulenter" Erreger vorliegt.

So gesehen war das im europäischen Vergleich "günstige" Abschneiden Deutschlands in der ersten Welle vermutlich weniger ein Ergebnis des "entschlossenen Regierungshandelns" oder der "vorbildlichen Regelbefolgung", sondern mehr des sich aus dem Zusammenspiel von saisonaler Virulenz, Reservoir gefährdeter Menschen und mitteleuropäischer Wetterlage ergebenden "natürlichen" Epidemie-Verlaufs.

Wenn dann auch die zweite Welle wieder abebbt, wie alle Grippewellen abebben, dann wird es nicht an Politikern mangeln, die den "Erfolg" an ihre Fahne zu heften versuchen - vorneweg der smarte ex-Pharma-Lobbyist Spahn und die um pastorale Sentenzen nie verlegene Kanzlerin.



5. "Know your enemy"

In Deutschland ist bislang die Kriegsmetapher in Bezug auf die Coronakrise nicht oder nur selten benutzt worden, in anderen Ländern - etwa in Frankreich von Präsident Macron - aber schon. Wenn wir dies ausnahmsweise aufgreifen, dann sollten wir uns an eine der grundlegenden militärischen Maximen erinnern: "Know your enemy - kenne deinen Feind". Nur wer seinen Feind kennt, kann gezielt dessen Schwachstellen angehen und auf einen raschen Sieg hoffen.

Was wissen wir also von unserem "Corona-Feind", wo sind Ansatzpunkte für eine möglichst effektive Abwehr? Interessanterweise sind die wesentlichen Punkte schon von den Medizinern in Wuhan erkannt worden: Die hohe Altersabhängigkeit und das erhöhte Risiko von übergewichtigen oder sonst "vorgeschädigten" Personen.

Eine so orientierte "Covid-Abwehr" müsste also zuallererst um eine Hebung des allgemeinen Gesundheitszustandes der Bevölkerung bemüht sein, und ein besonderer Schwerpunkt müsste gesunde Ernährung und Abbau von Übergewicht sein. Statt also die praktisch nicht gefährdeten Schulkinder nach Hause zu schicken und einer wenig durchdachten "Schul-Digitalisierung" auszusetzen, hätte man Schulküchen einrichten und gemeinsames gesundes Kochen unterrichten können, auch um der auf die Eltern ausstrahlenden Wirkung wegen. Statt TV-Spots mit zu "Helden" umgewidmeten Couch-Bewohnern also solche, die zu gesunder Ernährung und angemessener Bewegung motivieren.

Und aus der starken Altersabhängigkeit wäre zu folgern gewesen, dass die "älteren Semester" intensiver zu schützen sind, während es kaum Veranlassung gibt, z.B. unter 40-jährige zu "lockdownen".



5. Handeln im evidenzfreien Raum

Angesichts der Faktenlage ist erstaunlich, dass in Deutschland kaum eine der "Massnahmen" entlang des klar erkennbaren Altersgefüges konstruiert ist. Stattdessen wird mit manchmal majestätischer Attitüde im faktenfreien Raum "verfügt". Und manche Diskussionen, etwa um das mythisch aufgeladene Maskentragen, wirken schon fast bizarr: Bei Kindergartenkindern, innerhalb Wohngemeinschaften?

Der von mir gelegentlich zitierte Ire Ivor Cummins fragte schon früh: "Why are they doing that to us?"

Drängender wird sicher manche die Frage beschäftigen, wie tödlich nun die Corona-Epidemie "wirklich" ist. Das kann ich als Laie trotz etwas angelesenem Wissen natürlich nicht beantworten. Allerdings sollte klar sein, dass Covid19 nicht das letzte Virus sein wird. Es wird neue Viren bzw. Krankheitserreger geben, ein Covid-21 vielleicht oder eine Schweinegrippe-22. Sie werden kommen und gehen wie Ebbe und Flut, sie werden unterschiedlich stark sein - manche kaum bemerkbar, manche nicht. Wegen Covid-19 das "Ende der Welt, wie wir sie kennen" einzuläuten, dürfte - wenn die bisherige jahrtausendelange Koexistenz von Menschen und Viren überhaupt etwas besagt - definitiv verfrüht sein.

Als Kinder der Aufklärung sollten wir unser Handeln nach Fakten, Evidenzen, Kausalitäten und Logik ausrichten und weder in Panikstarre verfallen noch kultisch aufgeladene Ersatzhandlungen zelebrieren.



(Dezember 2020)





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