Das zweitgrösste Problem der Gegenwart - und seine Lösung





Die deutsche Sprache kennt ein Phänomen namens "generisches Maskulinum". Will bedeuten, dass die Bezeichnung für einen männlichen Bäcker "Bäcker" lautet, für den weiblichen Part "Bäckerin", aber für alle Bäcker - männlich wie weiblich - wird wieder die männliche Form verwendet: "die Bäcker". Folgerichtig wird aus der ständischen Vertretung dieses Berufes die "Bäckerinnung", eine denkbare Berufskrankheit der Bäcker würde zur "Bäckerkrankheit" erklärt werden, und so fort. Piloten, Journalisten, Taxifahrer, Politiker, Schornsteinfeger - überall muss (oder musste bislang) die "männliche" Wortform auch für die Gesamtheit aller Berufsträger herhalten, für Frauen wie Männer.

Schon vor Jahrzehnten wurde insbesondere in feministischen Kreisen darüber diskutiert, dass auf diese Weise ja die Hälfte der Menschheit sprachlich "unsichtbar" gemacht werden würde, es sich also um sprachliche Diskriminierung handele. Schon damals gab es verschiedene Ansätze, wie dies durch andere Formen "überwunden" werden könne.



Lösung 1

Der erste Variante geriet noch recht konventionell und sozusagen Duden-konform: man stellt den Zusatz "in", der ja typischerweise die weibliche Form kennzeichnet, als Plural ("innen") hinter das Wort und kombiniert das mit Schräg- und Gedankenstrich:

"die Bäcker/-innen" oder "die Pilot/-innen" oder die "Bürger/-innen"

Vielen war das aber nicht Betonung genug auf den weiblichen Teil, mit der sogenannten "Binnenmajuskel" wollte man (frau?) dies beheben:

"die BäckerInnen" oder "die PilotInnen" oder die "BürgerInnen".

Anderen war und ist das nicht auffällig genug, so benutzt die "woke Frontfrau" Teresa Koloma Beck in einem ihrer letzten Texte eine Unterstrich-Variante:

"die Täter_innen", "die Kolleg_innen", "die Soldat_innen"

Die momentan bekannteste Variante dürfte das sogenannte Gendersternchen sein, wie es z.B. die Partei "Die Grünen" in ihrem Wahlprogramm konsequent durchexerzieren:

"Gründer*innen", "Investor*innen", "Marktteilnehmer*innen".

Schreiben lässt sich so etwas im Zeitalter der Textverarbeitungs-Software relativ schnell, nur das Sprechen wird mühselig - besonders, wenn auch noch die Pronomen angepasst bzw. gedoppelt werden müssen: "der/die Antragsteller/-in kann den/die Behördenleiter/-in haftbar machen, wenn...". Und soll bein Vorlesen eine betonte Pause beim Trennsymbol eingelegt werden, oder im Gegenteil eher flüssig darüber hinweggesprochen werden, was dann sozusagen den männlichen Part "unsichtbar" bzw. "unhörbar" macht? Auch das Schriftbild, von dem i.d.R. abzulesen ist, wird unangenehm unruhig. Optisch wird so beispielsweise aus einer technischen Info zur korrekten Benutzung der Abteilungs-Kaffeemaschine scheinbar ein feministisches Statement.



Lösung 2

Hier wird die Geschlechterproblematik sozusagen umgangen, indem man auf eine Partizipform umstellt. So sind die meisten Studentenwerke mittlerweile umgetauft in "Studierendenwerke", es gibt "Zuschauende", und hier in Freiburg sogar schon einen "Besuchendenparkplatz". Total neu ist diese Nutzung des Partizips nicht; in den 1980er Jahren stand man vor dem Problem, dass sich aus dem altgedienten "Lehrling" nicht gut mittels Zusatz von "in" eine weibliche Form herstellen liess: "Lehrlingin" klingt wirklich zu blöd. Mit dem Wort "Auszubildende" war man aus dem Schneider. Freilich wurde das schon bald zu "Azubi" eingedampft und wird in dieser Form gelegentlich selbst nicht mehr als geschlechtsneutral empfunden, weswegen man auch schon "Liebe Azubis und Azubinen" lesen konnte.

Für Leute mit etwas sprachlichem Empfinden ist dieses zunehmende Ausweichen auf Partizipformen aber eine ziemliche Vergewaltigung der Sprache. Denn das Partizip präsens soll ja eigentlich eine aktuell stattfindende Tätigkeit bezeichnen, weswegen wir, wenn vom hämmernden Schlosser, rufenden Lehrer oder einer strickenden Oma die Rede ist, vor unserem geistigen Auge diese Personen genau diese Tätigkeiten ausübend sehen. Und umgekehrt wird niemand annehmen, dass die "Studierenden" nun permanent studieren. Ein bisschen Zeit für anderes sollte doch wohl noch übrig sein, damit sie z.B. zu "Sport-treibenden", "urlaubenden" oder "liebenden" Menschen werden können.



Lösung 3

Der Blogger Norbert Häring kündigte im Februar dieses Jahres an, einen gänzlich anderen Weg zur Bewältigung des "Gender-Dilemmas" beschreiten zu wollen. Zitat: "Ich will künftig das generische Maskulinum durch das generische Femininum ersetzen. Das heißt: Immer dort, wo man traditionell die männliche Form benutzen und Frauen mit meinen würde, will ich die weibliche Form nutzen und andere Geschlechter mit meinen." Dies fand ich prinzipiell einen guten und nicht zuletzt "galanten" Weg, da er ja auch das beim Gendersternchen fortbestehende Ärgernis, dass wieder die männliche Form zuerst genannt wird, beseitigt.

Allerdings: Im August dieses Jahres berichtete er vom Scheitern seines Ansatzes in der praktischen Anwendung, und erläutert dies auch so genau, dass ich hier nur auf seinen entsprechenden Text verweisen möchte: https://norberthaering.de/news/gendern-3/



Vorschlag

Zwar bin ich kein Philologe, aber es scheint mir recht klar zu sein, dass man mit den obengenannten Methoden nicht zu einer zufriedenstellenden Lösung kommen kann. Stattdessen schlage ich eine ganz neue Wort-Ableitung vor, die jeweils für die Gesamtheit der Gruppenmitglieder gelten soll, und zwar mit der Endung auf "a". Konkret:

der Bäcker / die Bäckerin / die Bäcka, entsprechend dann die Bäckainnung etc.

Das klappt auch mit anderen Wörtern ganz gut:

Der Bürger, die Bürgerin, die Bürga / der Kollege, die Kollegin, die Kollega / der Gründer, die Gründerin, die Gründa / der Lehrer, die Lehrerin, die Lehra.

Bei manchen Wörtern wäre es etwas ungewohnter, aber doch noch ohne spezielle Nutzungsanweisung im Sinn erahnbar:

Der Pilot, die Pilotin, die Pilota / der Soldat, die Soldatin, die Soldata / der Student, die Studentin, die Studenta - und dann natürlich auch das Studentawerk, der Studenta-Ausweis etc.

Nur "die Genossa" klingt ein bisschen nach Niesanfall, aber das Wort Genosse ist ja ohnehin aus der Mode gekommen.

Vorteile: Der optische Eindruck des Textes bleibt geschlossener, die Lesbarkeit ist besser, die Eindeutigkeit ist (in der Schriftform) gegeben. Dass die Sache in der gesprochenen Rede meist kaum unterscheidbar wäre ("die Bäcker - die Bäcka") ist m.E. kein Nachteil, weil es die Anpassung erleichtert. Ohnehin wird die angenommene sprachliche Diskriminierung durch das generische Maskulinum praktisch nur bei Texten in Schriftform bemängelt.

Schliesslich ist diese Form insofern galanter, als auf "a" endende Namen meist weiblich assoziert sind (Antonia, Maria, Ursula, Franziska...).



Gelöst?

Nun, nachdem das zweitgrösste Problem der Gegenwart nach meinem Dafürhalten zufriedenstellend gelöst ist, stehen die Leserin oder der Leser dieses Textes vor dem grössten: Sollen Sie diesen Text als Satire auffassen, oder als ernstgemeinten Vorschlag zur "Sprachdebatten-Beruhigung"? Ich weiss es leider selber nicht und überlasse dies dem Urteil der Leserschaft *1.


(September 2021)


*1 Auch mit dem übergreifenden "...schaft" kann man der Geschlechterproblematik entkommen...


www.truthorconsequences.de