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Freiheit für Grönland!
1. In den frühen 1970er Jahren, wackere Alt-68er wie die Herren Trittin oder Fischer werden sich erinnern, gingen Studenten (weiblich wie männlich) und andere politisch bewegte Menschen ziemlich häufig auf die Strasse und protestierten etwa gegen den Vietnamkrieg, die Juntas in Griechenland oder Chile, oder auch nur gegen den "Muff aus Tausend Jahren", den man unter den Talaren zahlreicher Professoren vermutete. Sprechchöre waren meist Bestandteil dieser Protestzüge, auch die Jüngeren werden aus TV-Dokus das berühmte "Ho-Ho-Ho-chi-Minh" kennen (vermutlich ohne es zu verstehen). Andere Losungen waren beispielsweise "Schluss mit dem Krieg in Vietnam!" oder "Freiheit für Chile! Nieder mit dem US-Imperialistenpack!". Spötter gab es allerdings auch damals schon, und irgendjemand erfand diesen schönen Zweizeiler: Freiheit für Grönland! Nieder mit dem Packeis! Ein offenkundig absurder Spruch - niemand bedrohte Grönland, schon garnicht das Packeis.
2. Rund ein halbes Jahrhundert später aber scheint Grönland bzw. die Grönländer nun doch wirklich bedroht: Der seit Ende Januar amtierende US-Präsident hat, fast schon en passant, seine Absicht bekundet, neben Kanada und dem Panama-Kanal auch Grönland zu einem Teil der USA zu machen, denn im Interesse der "nationalen Sicherheit" sei das schlicht erforderlich. Daraufhin hat sogar unser bisweilen phlegmatisch wirkender Noch-Kanzler Olaf Scholz, nach angemessener Bedenkzeit, machtvoll wirkende Worte erklingen lassen. Die Tagesschau schreibt über die entsprechende Pressekonferenz, dass Kanzler Scholz die Äußerungen des künftigen US-Präsidenten Trump zu Grönland deutlich zurückgewiesen habe."Das Prinzip der Unverletzlichkeit von Grenzen gilt für jedes Land - egal ob es im Osten von uns liegt oder im Westen ... daran muss sich jeder Staat halten - egal ob es ein kleines Land ist oder ein sehr mächtiger Staat."
4. Nach dem Muster der "Ukrainehilfe", die die Bundesrepublik seit rund 3 Jahren (oder mehr?) so überaus uneigennützig leistet, sind die Grundzüge der künftigen deutschen "Grönlandhilfe" klar erkennbar: - die nächsten Leopard-Panzer werden das Rheinmetall-Werk in der Tarnfarbe "schneeweiss" verlassen - auch die bewährte Panzerhaubitze 2000 erhält eine angepasste Lackierung sowie eine neue, hochwirksame Rückstossdämpfung, damit sie nicht so tief in den Schnee einsinkt - für das weltberühmte Luftabwehrsystem "IRIS-T" werden Tarnsyteme in IGLU-Form entwickelt - die Transportflugzeugflotte der Bundesluftwaffe wird in Alarmbereitschaft versetzt, um das ganze Material (inclusive natürlich einer Million IRIS-Luftabwehrraketen und einer Fastastillion Panzergranaten) kurzfristigs nach Grönland befördern zu können Das Königreich Dänemark, welches seine F-16-Flugzeuge ja an den hoffnungsvollen Autokraten Selensky abgegeben hatte, könnte freilich aviatisch etwas verletzlich sein. Die BRD wird jedoch gerne alle Tornado-Jets an die Nordfront schicken, allerdings erst, wenn der Ersatz in Form der F-35 aus den USA geliefert wird. Diese Demonstration militärischer Stärke wird den Aggressor-Autokraten, den neuen "Trumputin" sicher abschrecken, denn das hat ja schon in der Ukraine hervorragend funktioniert. Und wenn nicht? Im Plan B stehen sicher Hunderttausende junger Deutscher mit und ohne Migrationshintergrund bereit, mit der Waffe in der Hand jeden Fussbreit grönländischen Bodens (oder Eises?), zusammen mit Ihren dänischen und grönländischen Waffenkameraden zu verteidigen. Und auch die "Grauen Wölfe" der deutschen U-Boot-Flotte werden wieder wie einst vor Cape Hatteras zum Schrecken der Amis werden. Ein bisschen schwierig wird es wohl mit der Ausrufung des NATO-Bündnisfalls nach Artikel 5, denn der Aggressor wäre ja selbst ein NATO-Land. Dazu wird dann wahrscheinlich eine Expertenkommission mit 3-Jahres-Etat ins Leben gerufen... - - - Das ist natürlich alles nur Satire. Allerdings scheint es schon einige deutsche Miniatur-Blüchers und Westentaschen-Napoleons zu geben, die nur darauf warten, die militärischen Schlappen der deutschen Armee im letzten Weltkrieg "auszubügeln" - am liebsten natürlich im Osten gegen den Wunschfeind Russland.
5. Über die letzten Jahre ist den Bundesbürgern, vermittelt von den Mainstreammedien, die Ansicht eingetrichtert oder bestärkt worden, dass das politische Weltpersonal sehr klar in einerseits "die Guten" und andererseits "die Bösen" eingeteilt werden könne. Und wer das Gute-Schöne-Wahre anstrebe, müsse nur den Erklärungen der "guten" Führer folgen, und am allerwichtigsten denen des Oberhirten der Ober-Guten, also dem jeweiligen US-Präsidenten. Und umgekehrt sei den Äusserungen der als "böse" Gebrandmarkten niemals zu glauben, ganz egal worum es geht. Diese manichäische Weltsicht hat vielleicht einen ersten Schlag erlitten, als der "Führer der freien Welt", der gute Onkel Joe (Biden) sich in einem TV-Wettstreit als tatteriger Greis zeigte, der oftmals noch nicht einmal der Diskussion folgen konnte. Der nächste Schlag folgte gleich darauf, als die "gute" demokratische Partei eben jenen "guten" Biden gnadenlos abschoss wie eine flügellahme Ente. Und die als Nachfolgerin von der Partei-Elite auserkorene Frau (eine gewisse Kamala Harris) sich als ebenso unfähig herausstellte, sich bei kritischen Fragen allzu oft nur in ein eruptives Gackern flüchtete. Und obwohl nahezu die gesamte deutsche Hauptstadtpresse "wie ein Mann" hinter der neuen Kandidatin stand und geradezu leidenschaftliche "pro"-Artikel ablieferte, als würden die deutschen Wähler die US-Wahl entscheiden - haben die undankbaren US-Wahlberechtigten den "bösen Mann" mit recht komfortabler Mehrheit ins Amt befördert. Und nun - keine 4 Wochen nach seiner "Inthronisation" - kündigt genau dieser "orange man bad", dieser Mr. Trump, einerseits etwas wirklich Böses an, nämlich die Teilnahme oder gar aktive Umsetzung einer Massendeportation, nämlich von Millionen Palästinensern aus ihrem Heimatland. Und andererseits scheint er etwas sehr Gutes beginnen zu wollen, indem er nun ernsthaft Gespräche über Waffenstillstand und Frieden in der Ukraine führen will und deswegen schon mit einem anderen Erz-Bösen telefoniert hat, nämlich dem russischen Präsidenten Putin. Nach dem Gut-Böse-Schema könnte es so etwas ja garnicht geben, dass da ein und dieselbe Person einerseits positive und gleichzeitig - in anderer Weltregion - negative Ziele anzustreben scheint. Wer dagegen den von so unterschiedlichen, aber erfahrenen Politikern wie de Gaulle, Kissinger oder Bahr in Variationen formulierten Satz "Staaten haben keine Freunde, Staaten haben Interessen!" beherzigt, dem erscheint an dem Vorgang nur bemerkenswert, dass der Fokus der Interessen der USA sich so plötzlich und eben teilweise gravierend verschoben hat.
6. Die "uphill battle", die der frischgebackene Politiker Donald Trump in seiner ersten Amtszeit gegen "the swamp" oder den "deep state" führte und, so muss man wohl sagen, damals verlor, hat eine Neuauflage unter "Trump II" erfahren. Für den Moment scheint dabei der sichtlich politische Erfahrung gesammelt habende Trump die Oberhand zu haben, wohl nicht zuletzt aufgrund seiner optimierten Überrumpelungstaktik. So scheint selbst "Freund Netanyahu" während der Pressekonferenz, bei der Trump den Plan der Gaza-Räumung und "Übernahme" durch die USA verkündete, davon überrascht gewesen zu sein. Weniger überrascht war da wohl Russlands Präsident Putin ob der neuen Gesprächsbereitschaft. Er konnte sich ja ausrechnen, dass angesichts der militärischen Lage vor Ort "der Westen" früher oder später mit Russland würde reden müssen. Und die angebliche oder echte Überraschung der meisten EU-Regierungschefs einschliesslich der "EU-Queen Ursula" von der Leyen hätte keine sein müssen, denn durch ihre konsequente Verweigerung jeglicher diplomatischer Aktionen im grössten europäischen Konflikt der Nach-Weltkriegs-Zeit habe sie sich selbst ins Abseits gestellt. Hellsichtige Geister wie Ungarns Premier Orban haben das kommen sehen, aber seine vorsichtigen Friedensbemühungen sind ja von seinen EU-"Partnern" nach Kräften hintertrieben worden. Ist denn nun Trump "ein Guter" oder "ein Böser"? Die Frage stellt sich natürlich so nicht, denn es geht, wie schon gesagt, um Interessen. Dass die US-Interessen unter Trump teilweise andere Zielrichtungen bekommen haben, kann man zwar feststellen, aber sicher noch nicht in ein festes Schema bringen. Manche meinen etwa, die Ukraine-Friedensinitiative sei nur ein geschäftsmässiges "cut losses", um sich später mit umso mehr Kräften einer Anti-China-Politik widmen zu können. Wieder andere meinen, dass Trumps offenkundige Bewunderung der Präsidenten William McKinley and Theodore Roosevelt auf eine Rückkehr zum US-Imperialismus im Stile des 19. Jahrhunderts hindeute, ebenso wie die erklärten Ansprüche auf Kanada, Grönland und den Panama-Kanal. Während ein Monsieur Macron in den letzten Monaten zwar sehr viel von "strategischer Ambiguität" sprach, die es brauche, um den Erzfeind im Osten zu verunsichern - aber natürlich angesichts der EU-Struktur nie hätte wirklich umsetzen können - ist Mr. Trump ein Meister in "strategischer Ambiguität" und wird als solcher Freund wie Feind noch oft im Unklaren lassen.
7. Wie verhalten sich nun angesichts der gewendeten Weltlage die treuen Anhänger von woken Weltverbesserungskriegen? Kurz gesagt: Sie drehen hohl! Ihres zuverlässigsten Kompasses in Washington beraubt, ventilieren sie nun die absurdesten Ideen. Einer der medial so gehätschelten "Militärexperten", ein österreichischer ex-Offizier namens Gressel, fabuliert in verschiedenen Medien davon, dass diese Friedensbemühungen nicht zu einem Frieden, sondern (rätselhafterweise) zu einem "grossen Krieg" führen würden. Um das abzuwenden, brauche es nun unbedingt eine deutsche oder EU-Nuklearstreitmacht *1 und natürlich vorher die Aufkündigung des Atomwaffensperrvertrags. Und nachdem er einige Sätze zuvor Trump einen Volksschüler *2, gar einen "Idioten" genannt hat, führt ihn seine messerscharfe Logik zur erfreulichen Erkenntnis, dass man mit der nuklearen Aufrüstung auch gleichsam automatisch genau dessen, also Trumps, 5%-Ziel erreichen würde. Dagegen wirken die Merksätze, die das Team Habeck seinen Jüngern auf den Weg gibt, fast schon - um einmal das Modewort zu gebrauchen - "wie aus der Zeit gefallen". Der Ausstieg der neuen US-Regierung aus dem Pariser Klimaschutzabkommen mache die Bundestagswahl zur "Klimawahl", denn nun müssten "Deutschland und Europa … weltweit eine treibende Kraft für Klimaschutz bleiben". Wenn der wackere Kampf der "Fortschrittskoalition" gegen CO2-Emissionen aller Art schon bisher kaum rational begründbar war, wird er ohne die Kooperation der USA endgültig in aller praktischen Konsequenz absurd. Wieder andere, gestählt vom Aktivistenkampf gegen Klimaleugner, Querdenker und Putinisten, wollen am liebsten gleich die ganzen USA vor einem angeblichen Musk-Putsch schützen *3. Ob sie schon die Flugtickets gebucht haben? - - - Wer harte Wahrheiten nicht scheut, sollte eher die von unseren Mainstream-Medien so verurteilte Rede des US-Vizepräsidenten Vance auf der Münchener Sicherheitskonferenz einmal anhören oder nachlesen *4. Fasst man die jüngsten Äusserungen der neuen US-Regierung (Vance, Hegseth und natürlich Trump selbst) zusammen, wird klar erkennbar, dass EU-Europa für die USA künftig nur noch als Abnehmer von US-Waffen und fossilen US-Brennstoffen von Belang ist. Das eröffnet eigentlich die Chance, die spätestens 2008 ohne Not aufgegebene aussenpolitische Souveränität *5 zurück zu erlangen, ein Austritt aus der NATO wäre der notwendige Anfang. Ob der zukünftige deutsche Kanzler oder jemand anderes aus der Riege der EU-Regierungschefs dazu den Mut aufbringen wird?
(16.02.2025)
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*1 Was für eine Horrorvorstellung: ausgerechnet Frau von der Leyen am roten Knopf der Weltuntergangsmaschine... *2 In der Wikipedia wird Trump als Absolvent einer US-Uni mit Abschluss "Bachelor in Economics" aufgeführt. *3 Z.B. eine Cathryn Clüver Ashbrook von der Bertelsmann-Stiftung, siehe: https://europe-calling.de/... *4 Der Originaltext in Englisch HIER und eine deutsche Übersetzung HIER / Die Rede erinnert m.E. an die Werke von Ted Sorensen, dem Redenschreiber von John F. Kennedy. *5 Der langjährig international tätige Ökonom und Politik-Berater Jeffrey Sachs hält 2008 für das Jahr, in dem diese aussenpolitische Souveränität aufgegeben wurde - siehe etwa in diesem Interview: https://youtu.be/DkcBAbMG950
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