Lohnt sich das ? Teil 1: Wind



Es ist ein wunderschöner Spätsommertag im letzten Jahr, wir fahren mit dem Auto durch unsere frühere Heimat Westfalen und staunen ob der vielen Windkrafträder, die da in den letzten Jahren scheinbar "aus dem Boden geschossen" sind. Da kommt die Frage "Lohnt sich das denn ?" mit Blick auf ebendiese Windräder.


Interessanterweise kann man diese Frage ganz unterschiedlich beantworten, je nachdem, unter welchem Blickwinkel oder Gesichtspunkt man die Sache betrachtet. Von einem wirtschaftlichen bzw. betriebswirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen ist die Frage in diesem Fall ganz einfach mit "Ja" zu beantworten: Die Tatsache, dass da jemand Geld investiert hat, um diese Windräder zu errichten und sie auch in Betrieb hält (sie rotieren ja), bedeutet schliesslich nichts anderes, als dass es sich ökonomisch lohnt. Dass zu den Rahmenbedingungen neben den physikalisch/technischen (Aufbaukosten, Windhöffigkeit) auch die durch das EEG gesetzten Einspeisevergütungen gehören und diese also von politischen Entscheidungen abhängen, ist richtig. Aber auch viele andere Marktbedingungen sind durch Gesetze beeinflusst - so lassen sich zum Beispiel Autos mit Rechtslenkung in Deutschland nur sehr schwer verkaufen, weil die StVO nunmal Rechtsverkehr vorschreibt (würden wir das Rechtsfahrgebot endlich "liberalisieren", so würden sich schlagartig die Marktchancen für Hersteller von Rechtslenkerautos verbessern).


Anders sieht die Sache von einem ingenieursmässigen Standpunkt aus (und die obige Frage war auch an einen Ingenieur gerichtet). Der Ingenieur kann ganz klar sagen, dass sich eine solche Anlage an einem anderen Standort mehr lohnen würde, z.B. an oder auf dem Meer oder auf einem hohen Berggipfel. Andererseits ist ihm auch ganz klar, dass man nicht alles nur an optimalen Standorten bauen kann, man muss etwa Brücken auch dann bauen, wenn der Baugrund an der gewünschten Flussquerung nicht so optimal tragfähig ist. Die Frage, ab wann sich ein solches Windrad nun definitiv nicht mehr lohnt, wäre aber nicht so einfach zu beantworten. Entweder man schwenkt auf eine sozusagen modifiziert betriebswirtschaftliche Argumentation um (wenn die Kosten für Bau und Unterhalt nicht mehr von den laufenden Einnahmen gedeckt werden), oder man macht eine Art Energiebilanz auf: Wenn das Windrad in einem sinnvollen Zeitraum (etwa zwischen Errichtung und erster Grossrevision) für Erstellung und Wartung mehr Energie verbraucht hat, als es in Kilowattstunden eingebracht hat, so ist es nicht lohnend. Nach dieser Definition wären aber nur Anlagen an den allerdämlichsten Standorten (man stelle sich ein Zwergenwindrad in einer allseits von Baumriesen abgeschatteten Waldlichtung vor) nicht mehr lohnend.


Ein relativ neuer Ansatz ist die sogenannte "Ökobilanz". Diese versucht nun verschiedene Blickwinkel in eine ökologische Gesamtschau einzubeziehen. Dazu gehört zum einen die schon oben angesprochene Energiebilanz, aber auch der Ausstoss von Schadstoffen (bei Bau und Betrieb) und Auswirkungen auf Menschen und "Biotope". Die grundsätzliche Problematik ist natürlich, dass wir es hier mit Kategorien zu tun haben, die in ganz unterschiedlichen Einheiten (etwa Energie und Schadstoffe) gemessen werden, bzw die sich einer klassischen Quantifizierung entziehen ("Lebensqualität", "Biotopqualität"). Üblicherweise wird mit verschiedenen Punktewertungen gearbeitet, die aber im konkreten Einzelfall höchst angreifbar sind. So wäre ein Windrad errichtet auf der Spitze des Freiburger Münsterturms in Bezug auf eine reduzierte Biodiversität wahrscheinlich weniger schädlich als eine hundert Meter entfernt auf dem Schlossberg errichtete Anlage. Aber wie würde man die kulturelle Barbarei bewerten, wenn der "schönste Turm der Christenheit" für die Windmüllerei zweckentfremdet würde ?


Wieder ein anderer Gesichtspunkt ist die Versorgungssicherheit. Dieser ist nun klassisch eine Domäne staatlichen Handelns, denn ein Einzelunternehmer muss sich natürlich nicht um die Versorgungssicherheit etwa der gesamten Bundesrepublik kümmern. In Bezug auf das "Lohnen" von Windkrafträdern an unterschiedlichen Standorten wird dieser Standpunkt wenig Relevanz haben. Aber im Vergleich mit anderen Energiequellen kann die Berücksichtigung von Versorgungssicherheit schon zu eindeutigen Empfehlungen führen. Wer in diesem Sinne etwa Gas- oder Ölkraftwerke mit Windkraft vergleicht, muss zum einen die in historisch jüngster Zeit erfolgten Produktionskrisen (etwa die Ölkrise von 1973), aber auch die teilweise extremen Schwankungen der Weltmarktpreise für fossile Rohstoffe berücksichtigen. In dieser Hinsicht wären alle sogenannten "erneuerbaren" Energien, vor allem wenn sie auf "heimischem Boden" erzeugt werden, den fossilen Energieträgern eindeutig vorzuziehen. Hier berührt die Versorgungssicherheit die mögliche Forderung nach Autarkie.

Der Begriff Autarkie wird, aus sehr verschiedenen Gründen, heutzutage nicht mehr gern gehört. Gewiss ist der Gedanke nicht erhebend, dass die letzte deutsche Regierung, die offensiv um Autarkie bemüht war, diejenige Adolf Hitlers war. Noch weniger, wenn man bedenkt, dass der Hauptgrund damals die bestmögliche Positionierung im erwarteten und dann auch betriebenen Eroberungskrieg war. Unabhängig davon ist Autarkie unter Marktwirtschaftlern schon deshalb unbeliebt, weil sie einen nicht entschuldbaren Glaubensmangel offenbart: Wer Autarkie fordert, glaubt offensichtlich nicht daran, dass die unsichtbare und segensreiche Hand des Marktes immer und überall zur optimalen Versorgung mit Gütern führt. Im linken politischen Spektrum ist (neben der Erinnerung an Nazi-Deutschland) der Gedanke, dass ein Land für mögliche Krisen besser als die anderen vorbereitet sein will, ein Zeichen bedenklicher Un-Solidarität.

Allerdings glaube ich nicht wirklich daran, dass sich die Länder der Erde im Falle einer wie auch immer herbeigeführten plötzlichen Energieverknappung irgendwie "solidarisch" verhalten würden. Zumal das einzige "solidarische" Instrument im Rahmen einer marktwirtschaftlich-kapitalistischen Wirtschaftsordnung "höhere Preise für alle" ist. Insofern halte ich Bemühung um Energie-Autarkie durchaus auch für eine sinnvolle politische Zielsetzung.


Zusammengefasst: Die Idee, die hinter dem "Erneuerbare-Energien-Gesetz" von 2000 stand - nämlich durch staatlich festgesetzte Preisvorgaben und Quoten gesellschaftlich sinnvolle Ziele (Ökobilanz, Versorgungssicherheit, Autarkie) im Energiemarkt voranzutreiben, halte ich noch immer für sinnvoll und vielleicht das einzig positive Stück Gesetzgebungswerk der "rot-grünen" Koalition. Der "Trick" des EEG, nämlich über die eingesetzten Instrumente die betriebswirtschaftliche Rentabilität für viele neue Wind-, Wasserkraft- und Solaranlagen sicherzustellen, hat unzweifelhaft erst den Boom der "Erneuerbaren" ermöglicht. Dass damit gegen die reine marktwirtschaftliche Lehre verstossen wurde, ist m.E. weniger ein Argument gegen das EEG denn ein Argument für staatliche Steuerung.



(Mai 2016)