Von edlen Wilden, Emigranten, Immigranten, Flüchtlingen und Projektionsflächen
God grant me the serenity
to accept the things I cannot change,
courage to change the things I can,
and wisdom always to tell the difference.
1. Eine grosse Demonstration Am 13.Oktober 2018 fand in Berlin eine Demonstration unter dem Titel "#unteilbar" statt. Die ARD-Tagesschau berichtet darüber in ihrer 20-Uhr-Ausgabe: Der Sprecher verkündet, dass "fast eine Viertelmillion Menschen gegen Rassismus und für eine offene und solidarische Gesellschaft" auf die Strasse gegangen seien, während im Hintergrund "über 200'000 Teilnehmer" angezeigt wird. Im anschliessenden Bildbericht verkündet die Sprecherin, dass "über 240'000" gekommen seinen. Eine Veranstaltung mit grossem Zulauf also, und dementsprechend zufrieden zeigen sich die Sprecher der Organisatoren. Möglicherweise also eine Demo, die es in den Rang der "epochemachenden" Demonstrationen wie etwa im Bonner Hofgarten 1981 schaffen könnte. |
Dem aufmerksamen Tagessschau-Beobachter fällt aber sofort auf, dass hier ein bei sonstigen Demonstrationen angewandtes Ritual vollkommen fehlt: Dort heisst es regelmässig, dass "die Veranstalter die Anzahl der Teilnehmer auf x schätzen" oder "behaupten, dass x Menschen gekommen seien", während die Polizei die Teilnehmerzahl mit y "beziffere" oder "einschätze" oder soviele "gezählt" habe. Die Differenz zwischen x und y ist dann ein sublimer Hinweis darauf, dass die Veranstalter mit ihren Angaben wenn nicht unbedingt täuschen wollen, so doch mindestens übertreiben, oder aber schlicht unzuverlässig seien. Wenn die Tagesschau-Macher hier diese Einschränkung bewusst weglassen (denn sicherlich wird es die Berliner Polizei nicht versäumt haben, auch am 13.10. eine eigene Zahl zu bestimmen), dann kann uns das schon ein Hinweis sein, wie diese Veranstaltung vom Medien-"Establishment" bewertet wird. Wir werden noch auf diese Auffälligkeit zurückkommen... |
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2. Eine Vorbemerkung Rund um die Themen Migration-Flüchtlinge etc. ist gerade im "linken" Umfeld eine Tabuisierung bestimmter Positionen im Gange, dass ich gleich im Vorfeld dieses Textes darauf hinweisen sollte, dass hier niemand persönlich angegriffen oder diffamiert werden soll. Niemand braucht sich die im folgenden dargelegten metaphorischen "Schuhe anziehen". |
Es wäre mir aber ein besonderes Anliegen, dass man trotzdem prüft, ob z.B. die angesprochenen Motivationslagen nicht doch zumindest teilweise auf die eigene Position Einfluss haben oder hatten. Und noch eine typografische Anmerkung: Im folgenden wird natürgemäss oft auf die Linke bzw. die LINKE Bezug genommen, mit der letzteren Schreibweise soll jeweil die gleichnamige Partei, mit der ersteren die allgemeine politsche Richtung gemeint sein. |
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3. Le bon sauvage Etwa im 18. Jahrhundert taucht im europäischen Geistesleben ein neuer Gedanke auf, nämlich das Bild des "edlen" oder "guten Wilden". Bis dahin war man noch ziemlich umstandslos davon ausgegangen, dass die europäische Zivilisation, wenn auch von gelegentlichen Irrungen begleitet, im grossen Ganzen auf jeden Fall voranschreite und eben immer zivilisiertere Menschen hervorbringe, und eben auch diese Zivilisation auf jeden Fall segensreich sei. Nicht zufällig ist das auch jene Zeit, in der sich die europäischen Staaten in ihrer modernen Form entwickelten und weitaus mehr Felder für Regulierungen aller Art in Beschlag nahmen, als es etwa die mittelalterlichen Fürstentümer gekannt hatten. Eine Zeit also, in der sich der "freie Mensch" durchaus im Zwiespalt zwischen der durch die Zivilisation erreichten Unabhängigkeit von Naturfährnissen und der Einengung durch staatlich-obrigkeitliche Regulierung sehen konnte. Als Reaktion darauf entstand - ausgehend von Reiseberichten aus "zivilisatorisch unberührten" Ländern - die Vorstellung vom "Edlen Wilden". Und zwar, oft auch explizit von den Autoren so ausgedrückt, als idealisierter Gegenpol zum von der Zivilisation "verdorbenen" modernen Menschen.
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Nicht nur dass jener "noble sauvage" durch den Aufenthalt in freier Natur unbelastet sei von der Enge verstaubter Kontore, sondern er lebe eben auch in weitgehendem Einklang mit der Natur. Nicht durch jahrelangen Schulbesuch "verbildet", kenne er keine Lüge und Falschheit. Die Unterscheidung zwischen Gut und Böse gelinge ihm spontan aufgrund eines natürlichen ethischen Empfindens. Und je nach Autor kamen noch weitere positive Eigenschaften hinzu. Wie gesagt, war das bei den meisten Autoren erklärterweise ein Idealbild - was aber einige romantisch veranlagte Leser (sofern mit entsprechenden Mitteln ausgestattet) nicht davon abhielt, sich so einen leibhaftigen "bon sauvage" sozusagen zu bestellen und dann am eigenen "Hof" zur Unterhaltung der Gäste anzustellen. Auf weniger auffällige Art hat sich diese Faszination am "edlen Wilden" bis in die Neuzeit erhalten - man denke an die "Winnetou"-Figur Karl Mays oder an die sogenannte "Weissagung der Cree", die in den 1980er Jahren als Poster oder Auto-Aufkleber populär war: "Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet..." *1. Ein anderes Beispiel aus jüngerer Zeit wäre der Schweizer Film von 1977 "Die Indianer sind noch fern" ("Les Indiens sont encore loin"), in welchem die von Isabelle Huppert gespielte junge Frau bei der Betrachtung der berühmten Indianerfotografien Edward Curtis' wenigsten für kurze Zeit der Kälte ihrer modernen Umwelt entfliehen kann. |
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4. No borders Auf einer kürzlich hier in Freiburg stattgefundenen Informationsveranstaltung wurde der Bundestagsabgeordnete der LINKEN, Tobias Pflüger, von einem Besucher gefragt, wie man denn, etwa in der Argumentation mit einem AfD-Sympathisanten, die Haltung der LINKEN zur Flüchtlingsthematik in einem Satz zusammenfassen könne. Die Antwort war (aus dem Gedächtnis zitiert): "Wir sagen zwar nicht 'kommet nur alle', aber wer hierher kommt, soll bleiben dürfen." Das ist nun nicht unbedingt "die Parteilinie", denn der entsprechende Leipziger Parteitagsbeschluss lässt sich (vermutlich durchaus beabsichtigt) auch anders interpretieren. Aber Pflügers Satz repräsentiert sicher recht gut die Ansicht der vielleicht als "no borders"-Fraktion zu bezeichnenden Parteimitglieder. Wer nun Pflüger als "Latte-Macchiato"-Linken einordnen wollte, der zwar hehre Grundsätze formuliere, aber im Zweifelsfall die Kuschelecke seines Lieblings-Cafes nicht verlasse, liegt sicher falsch. Denn MdB Pflüger hat sich wiederholt und auch ganz persönlich um Flüchtlinge bemüht, gerade auch um kurdische *2. Ihm und wohl auch den meisten anderen "no borders"-Anhängern geht es tatsächlich darum, das Los der Flüchtlinge zu verbessern. Mit den verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten des Beschlusses sollte man trotzdem innerhalb der Linken eigentlich gut auskommen können, zumal nicht wenige den Eindruck haben, dass momentan fast 100% der diskursiven Energie in diese Debatte fliesst, obwohl es eigentlich wesentlich wichtigere Themen gäbe. |
Ein Grund, warum hier die LINKE - hoffentlich nicht absichtlich - die Themensetzung und Themen-Priorisierung von AfD und CSU ("Flüchlinge...die Mutter aller Probleme") übernimmt, liegt unter anderem in der Instrumentalisierung des Flüchtlingsthemas als "Lackmus"-Test. In dieser Sichtweise ist jemand entweder "für Flüchtlinge" und damit ein guter, oder aber er ist "gegen Flüchtlinge" und damit ein böser Mensch, denn "es gibt keine halbe Menschlichkeit". Ist aber die Methode, anhand dieses einen Kriteriums nun "endgültig" zwischen guten und schlechten Menschen unterscheiden zu wollen, sinnvoll? War Heinrich Lübke, der spätere zweite Bundespräsident, nun ein "guter" Mensch, weil er als gelernter Architekt in der Nazizeit nichts Schlimmeres machte als Konstruktionspläne für verschiedenste Bauwerke zu zeichnen (darunter allerdings auch KZ-Baracken), oder war Jean Moulin, der berühmte französische Resistance-Führer, ein "schlechter", weil er den Tod nicht weniger deutscher Besatzer verursachte? Diese Ambivalenz zwischen "gut sein" und "Gutes bewirken" kannten schon die alten Griechen, und sie wird die Menschheit wohl noch eine Weile begleiten.
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Mit der Ausgabe vom 2. Januar 2018 schloss das TIME Magazine eine Serie von Artikeln zur europäischen Flüchtlingkrise unter dem Titel "Journey's End" ab. In dieser Serie hatte man 3 syrische Flüchtlingsfamilien auf verschiedenen Stationen ihrer "Reise" besucht, und das "Ende der Reise" war, zumindest vorläufig, für 2 Familien in Deutschland. Der dritten Familie war (endlich) Asyl in Griechenland gewährt worden, aber angesichts der Tatsache, dass damit auch die Unterstützung durch das UNHCR ausläuft und die Aussicht auf einen Arbeitsplatz in Griechenland verschwindend gering ist, plante der Vater auch hier baldmöglichst nach Deutschland aufzubrechen. Die Artikelserie war nach Kanzlerin Merkels historischer "Grenzöffnungs"-Entscheidung gestartet worden, welche damals von TIME emphatisch begrüsst und (zumindest indirekt) durch die "Person of the Year"-Anerkennung Merkels auch gefördert worden war. Entsprechend war in den Artikeln der Tenor optimistisch und entschieden "pro-Flüchtlinge", denen man ein besseres Los nach der Flucht vor Krieg und "Tyrannei" gönnte. Ansonsten aber schienen mir die Artikel gut recherchiert und ohne offensichtlich verfälschte Fakten zu sein. In eben diesem letzten Artikel hat mich das letzte Foto merkwürdig fasziniert, obwohl es eigentlich eine ganz alltägliche Szene darstellt.
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Zuvor muss ich aber noch zwei persönliche Details hinzufügen: Die Gefühlsregung "Neid" ist mir ziemlich fremd, zum einen, weil ich sie ohnehin für unproduktiv und unnötig lähmend halte, zum anderen, weil mir mein erreichter materieller Lebensstandard recht auskömmlich erscheint. Es bedrückt mich kein bisschen, dass mein Auto vermutlich eines der kleinsten in unserer Strasse ist. Und obwohl ich z.B. mechanische Präzisionsarmbanduhren durchaus faszinierend finde, wäre mir eine Rolex oder Breitling viel zu schwer am Handgelenk. Dem Sokrates zugeschriebenen Satz "ich sehe heute wieder so viele Dinge, derer ich nicht bedarf" kann ich oft genug nur beipflichten. Das andere persönliche Detail ist, dass ich mich zu jenem Zeitpunkt gerade nach Ersatz für meine verschlissene alte Waschmaschine umschaute. Da hatte ich also die verschiedensten Modelle in Betracht gezogen, die spezifischen Vor- und Nachteile abgewogen und musste noch entscheiden, wieviel Geld ich für mehr oder weniger luxuriöse Ausstattung investieren wollte.
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6. … mit Waschmaschine Da sah ich also dieses Foto im TIME Magazine: Es zeigt die dreiköpfige Familie in der Küche - die Frau bereitet das Essen, der Mann öffnet die Tür zur Terrasse, und das Kind spielt am Boden. Die Küche ist eine ganz schmucke Einbauküche, und sichtbar voll ausgestattet: Kühlschrank, Gefrierschrank, Trockner und eben Waschmaschine. Und an der Stelle war ich merkwürdig berührt: Diesen Menschen hatte man also diese vollausgestattete Küche einfach "hingestellt", während ich an der Frage grübelte, wieviele Euro in nun in eine Ersatz-Waschmaschine stecken sollte. Natürlich habe ich mit etwas Nachdenken alle Entscheidungen durchaus verstehen können: Dass die syrische Familie aus den griechischen Lagern so schnell wie möglich weg wollte, dass Deutschland wegen der relativ geringen Arbeitslosigkeit das angestrebte Ziel war, dass die Leute natürlich irgendwo kochen und Wäsche waschen müssen. Ich verstand auch den Sachbearbeiter des zuständigen Amtes, der nicht nur für eine anständige Behausung sorgte, sondern diese auch mit Komplett-Küchenzeilen ausstatten liess. Ich verstand auch, dass der Sachbearbeiter nicht mühsam nach irgendwelchen Gebraucht-Geräten ausschau hielt, sondern - vermutlich auch fürs Budget deutlich günstiger - en-gros neue Küchen beim einschlägigen Fachhandel bestellte. |
Trotzdem etwas befremdlich, dass diese - vermutlich durchaus sympathischen jungen Menschen - da umstandslos eine Ausstattung hingestellt bekommen haben, die ich mir in einem über 30-jährigen Berufsleben peu-a-peu erworben hatte. Und es ist ausgeschlossen, dass diese Flüchtlinge in der kurzen Zeit ihres Aufenthalts auch nur einen Euro "netto" in unser Steuer- und Sozialsystem eingezahlt haben (was nicht ausschliesst, dass sie zukünftig vielleicht zu den fleissigsten "Einzahlern" werden). Diese Gedanken kamen also mir, der ich ja durchaus privilegiert bin (regelmässiges Gehalt, genügend finanzielle Reserven auch für unerwartet notwendige Anschaffungen) und wohl auch nicht zu den "bildungsfernen Schichten" gehöre. Wie muss es da erst jemand empfinden, der vielleicht im "grössten Niedriglohnsektor Europas" arbeiten muss und so gerade "über die Runden" kommt? Dem eine ausgefallene Waschmaschine schlaflose Nächte bereitet, weil da eben keine Reserven sind? Dem man in den letzten 20 Jahren - von Politik, Wirtschaft und Mainstream-Medien her - beständig gepredigt hat, dass er den Gürtel enger zu schnallen habe, um den "Standort Deutschland" zu sichern? Wird er neidisch? Wird er wütend? Wird er zornig? |
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7. "Integration dauert 6 Monate" Diese muntere Artikelüberschrift wählte kurz nach der schon erwähnten historischen Entscheidung vom Herbst 2015 ein Anzeigenblatt für einen Text, der die verschiedenen Probleme, aber auch Angebote zur Integration der Flüchtlinge zum Thema hatte. So apodiktisch ist die Aussage natürlich offensichtlich Quatsch, schon weil Integration nicht quantifizierbar ist. Bei Kindern mögen unter glücklichen Umständen ein paar Monate zu einer "hinreichenden" Integration reichen, bei älteren wird es länger dauern. Sie kann auch, vielleicht aus guten Gründen, vom jeweiligen Menschen abgelehnt werden - so hat sich Thomas Mann weder in England noch in Amerika im üblichen Sinne "integriert": Wieso sollte er auch, war sein Metier doch gerade die deutsche Sprache *3. Einem heutigen Arabistik-Professor aus Syrien mag es ähnlich gehen, besonders, wenn er ohnehin die Absicht hat, möglichst bald in sein Heimatland zurückzukehren. Integration kann auch nur vorgetäuscht sein. Wer erinnert sich noch an das Entsetzen der deutschen Vermieterin eines der World-Trade-Center-Attentäter, dass "ihr Junge", der fast zum Familienmitglied gewordene Ziad Jarrah, so etwas tun konnte? Als anlässlich des Gedenkens an den Brandanschlag von Solingen 1993 Frau Genc (die damals fünf Verwandte verlor) letzten Mai eine Rede hielt, wurde von einem Politiker (von der CDU?) kritisiert, dass sie diese auf türkisch gehalten habe, obwohl sie doch schon lange deutsche Staatsbürgerin sei. Dies hat dann zu recht viel Widerspruch erzeugt - schliesslich kann Frau Genc ihre Rede in jeder beliebigen Sprache halten, und wenn sie sich im Türkischen sicherer fühlt als im Deutschen, wäre das ja auch nur verständlich.
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Trotzdem wirft der Vorgang ein Licht auf die Tatsache, dass es heute - gerade auch wegen der neuzeitlichen Kommunikationsmittel - viel leichter ist, sich vom Einwanderungsland abzuschotten, als vor 50 oder 100 Jahren. Wer in den USA des Jahres 1907 *4 Kontakt zu Heimat und Heimatsprache halten wollte, konnte für teures Geld eine Heimatzeitung abonnieren, die aber erst Tage oder Wochen später in den USA ankam. Oder er konnte eine der kleinen Immigrantenzeitungen wählen - vielleicht den "Buffalo Volksfreund"? Aber die waren typischerweise recht dünn und oft auch nur Wochenzeitungen. Mit "Medien" war es damit auch schon zu Ende. Fast jeder ausserhäusliche Kontakt, sei es mit Vermieter, Bahnschaffner oder Polizist, musste aber in der neuen Sprache abgewickelt werden. Und den Kindern erging es nicht besser: Entweder sie lernten Englisch (von Klassenkameraden, in Abendkursen etc.), oder sie lernten es nicht und blieben von Bildung und Aufstieg ausgeschlossen. Heute dagegen kann man zu einem Bruchteil der damaligen Kosten Telefongespräche oder sogar Videochats mit den Verwandeten und Freunden daheim abhalten, das Fernsehen liefert via Kabel oder Satellit teilweise mehrere TV-Sender des Herkunftlandes, und wer noch an der althergebrachten Heimatzeitung hängt, wird per Luftfracht schnellstens bedient. Auch die neuzeitliche "lingua franca" des Englischen, die in mehr oder minder holpriger Weise sowohl von den "Bestandsbewohnern" als auch den meisten Immigranten beherrscht wird, mindert den Druck, die Sprache des gastgebenden Landes zu erlernen. Kommen dazu noch die klassischen Vorteile einer "heimatsprachigen" Infrastruktur (Läden, Kleingewerbe) hinzu, dann erstaunt es nicht, dass man mindestens in den deutschen Großstädten vermutlich recht gut jahrelang ohne ein deutsches Wort *5 "über die Runden" kommt. Das Problem kennt auch das ehemalige "melting-pot"-Land USA - dort soll es z.B. in Miami schon so komplett latinisierte Bezirke geben, dass einige Läden mit "english spoken"-Schildern auf einen raren Sonder-Service hinweisen. |
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8. "Müssen wir nicht etwas tun?" Angesichts von fast 17'000 Toten auf der Mittelmeer-Fluchtroute seit 2014 (eine wohl von der UNHCR publizierte Zahl) ist es nur richtig, wenn Menschen dem Impuls verpüren, da "etwas tun" zu müssen. Allerdings zeigt nicht nur die mediale Dauerdebatte in deutschen TV-Talkshows, Parteitagen und Zeitungskommentaren sowie die zahlreichen, offensichtlich nicht sehr erfolgreichen EU-Gipfel zu diesem Thema, dass eine Lösung dafür nicht so einfach herstellbar zu sein scheint. Wenn wir die obengenannte Zahl von 17'000 auf 4 oder 5 Jahre beziehen, kommen wir auf eine jährliche Anzahl von 3'500 bis 4'300 Toten. Damit ist sie durchaus vergleichbar mit der Zahl der Verkehrstoten in Deutschland, die seit einigen Jahren ziemlich stabil bei rund 3'000 liegt. Versuchen wir einmal zu überlegen, was man gegen diese hohe Zahl an Verkehrstoten ausrichten könnte - auch wenn man angesichts von ABS und Airbag, Luftrettung und gutausgestatteten Notfallstationen glauben könnte "wir tun doch schon alles". Jedenfalls haben wir hier ja offensichtlich einen Bereich, in welchem der deutsche Staat in eigener rechtlicher und budgetärer Hoheit entscheiden könnte. Ein Ansatzpunkt wäre überraschend einfach und tatsächlich binnen weniger Tage umzusetzen: Eine Änderung der Strassenverkehrsordnung, die auf allen Strassen eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h vorschreiben würde. Wer jetzt - vermutlich zu recht - sagt, "das wird’s nie geben", sollte immerhin erwägen, dass auf diese Art mindestens die Zahl der Todesfälle auf Fernstrassen fast auf Null reduziert werden könnte.
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Ein alternativer Ansatz, der dann freilich nicht zum Nulltarif zu haben wäre, würde die Anzahl der zur Verfügung stehenden Rettungsmittel drastisch erhöhen, damit die durch Unfälle verwundeten Personen wenigstens auf schnellste Weise auf eine Notfallstation gelangen. Also vielleicht an allen Fernstrassen alle 10-20 km einen startbereiten Rettungshubschrauber vorhalten, der dann die ebenfalls flächendeckend mit Landeplätzen ausgestatteten Kliniken anfliegen kann. Letzteres wäre offensichtlich eine teure Angelegenheit, andererseits aber für ein so reiches Land wie die Bundesrepublik Deutschland auch nicht unmöglich. Der Verzicht auf den Bau einer einzigen Fregatte vom Typ F125 würde beispielsweise schon über 600 Millionen Euro im Bundeshaushalt freimachen, wofür dann schon 100 bis 200 Rettungshubschrauber beschaffbar wären. In Sonntagsreden wird gern behauptet "wenn es um Menschenleben geht, darf nichts zu teuer sein" - hier könnten die Verantwortlichen zeigen, dass sie es ernst meinen.
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9. Rettung im Mittelmeer Auch für die Rettung der Flüchtlinge oder Migranten, die über das Mittelmeer nach Europa streben, kann man sich durchaus effektivere Methoden vorstellen, als eine Handvoll privat finanzierter Kleinboote dorthin zu entsenden, die in ihren Rettungsbemühungen manchmal (nach welchen Kriterien?) von NATO-Kriegsschiffen unterstützt werden, und manchmal eben auch nicht. Würde die Bundesregierung die Flüchtlingsrettung zur nationalen Aufgabe erklären, so könnte sie das tun, was seit über 100 Jahren Regierungen in Notlagen immer getan haben: Sie könnte zivile Schiffe, z.B. "Kreuzfahrtdampfer", requirieren. Offensichtlich wäre eine "AIDAstella" oder eine "AIDAsol" wesentlich geeigneter für diesen Zweck als die Zerstörer und Fregatten der Bundesmarine. Und sie könnten die aufgenommenen Flüchtlinge auch statt nach Italien oder Spanien gleich nach Deutschland bringen, vielleicht sozusagen aus Traditionsgründen an den Amerika-Kai *6 in Hamburg? Noch konsequenter wäre es, wenn man den Übersiedlungswilligen die gefährliche Passage auf Schlauchbooten oder in morschen Fischerbooten überhaupt ersparen könnte - das würde allerdings die Deklaration eines oder mehrerer Ausreisehäfen auf afrikanischer Seite erfordern. |
Wer sollte die notwendigen Verhandlungen darüber führen? Schliesslich würde der "Gaststaat" eines Ausreisehhafens zurecht auf Garantien in technischer, wirtschaftlicher und vermutlich auch "sicherheitstechnischer" Hinsicht bestehen, um durch den Zustrom der Migranten nicht selbt überlastet zu werden. Zumal es Rassismus ja auch in Afrika gibt - bekannt sind die Ressentiments der Araber *7 gegenüber den "Schwarzafrikanern" oder die der verstädterten Küsten-Bevölkerungen gegenüber den noch ländlich organisierten "Inländern". Aber auch eine Vorgehensweise, die das Problem ebenso radikal angehen würde wie die "Tempo-30-überall"-Regelung im vorherigen Abschnitt, wäre denkbar. Diese Herangehensweise, die man vielleicht die "Salvini"-Methode nennen könnte, bestünde in einer offiziellen Erklärung aller europäischen Staaten, von nun an keinen einzigen illegal über das Mittelmeer angekommenen Migranten mehr aufzunehmen, sondern dieselben allesamt zurückzuschicken. Das wäre zwar im Detail nicht so einfach umzusetzen (man denke an die nicht immer mögliche Feststellung des Herkunftslandes) und auch völkerrechtlich fragwürdig - andererseits würde die blosse Ankündigung sehr sicher die Anzahl der die Passage wagenden Menschen drastisch reduzieren und damit natürlich auch die Anzahl der Getöteten. |
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10. Grosse Probleme - einfache Antworten? Es ist nicht verwunderllich, dass die AfD-ler und Pegidisten auf diese Problemlage mit einfachen Antworten reagieren, die von "Zuwanderungsstopp" über "Moslems 'raus" bis "Alle Fremden 'raus" reichen. Und dass linke und linksliberale oft einfach eine 180-Grad-diametrale Gegenposition einnehmen und dann bei "no borders" landen. Bezüglich der im Mittelmeer sterbenden Menschen ist aber weder das eine noch das andere angemessen. Natürlich kann mit dem Satz "es gibt keine halbe Menschlichkeit" jede die "no-borders"-Politik ablehnende Haltung als unmoralisch abqualifiziert werden, aber unser Umgang mit den Verkehrstoten in Deutschland zeigt, dass wir sehr wohl beständig mögliche Todesopfer gegen Nutzen und Kosten ihrer Verhinderung abwägen, und zwar nicht nur auf organisatorisch institutionelle Weise über unsere Repräsentanten in Bundes-, Landes- und Kommunalparlamenten, sondern gerade auch individuell. Wenn wir es eilig haben, werden wir - ob nun in Pkw oder auf dem Fahrrad - so schnell wie erlaubt und manchmal auch schneller fahren, obwohl wir durchaus wissen (oder wissen sollten), dass höheres Tempo natürlich auch das Unfallrisiko (exponentiell!) steigert. Diese "Risikoabwägung", die wir ständig bewusst oder unbewusst, 'mal mit wissenschaftlicher Fundierung und 'mal aus einem "Bauchgefühl" heraus treffen, mag zwar nicht den höchsten moralischen Ansprüchen genügen, gehört aber dennoch zur gesellschaftlichen Realität. Es ist natürlich unbestreitbar, dass die Rettung Schiffbrüchiger - egal ob auf dem Mittelmeer oder sonstwo - nicht nur möglich sein muss, sondern zu unterstützen ist. Und das eine Kriminalisierung derselben abzulehnen ist. Es steht aber auf einem anderen Blatt, wenn das Schiff mit der expliziten Absicht in See sticht, Schiffbrüchige zu suchen oder auch nur potentiell in Seenot geratende Fahrzeuge aufzufinden. Und nochmals zweifelhafter wird es, wenn man die so an Bord gekommene menschliche "Fracht" einfach am nächstgelegenen italienischen (oder spanischen oder griechischen) Hafen "abkippen" will. |
Spätestens dann, wenn wir den konsequenten Weg gehen und Kreuzfahrtschiffe zur Aufnahme ins Mittelmeer entsenden würden, wäre ja auch der sogenannte "Sogeffekt" nicht zu leugnen, d.h. in Erwartung der "gesicherten" Rettung und Überstellung nach Europa würden sich noch mehr Menschen auf den Weg machen. Im vorherigen Absatz habe ich die denkbare Option, einen generellen, europa-weiten Aufnahmestopp für illegale Migranten auszusprechen, nach dem derzeitigen italienischen Innenminister der Lega Nord die "Salvini"-Option genannt. Allerdings bin ich mir durchaus nicht sicher, ob das tatsächlich die Absicht von Matteo Salvini wäre. Sicher ist aber, dass seine mehrfache Weigerung, Schiffen mit Flüchtlingen/Migranten das Anlegen in italienischen Häfen zu gestatten, tatsächlich Bewegung in die ansonsten vollkommen eingeschlafenen Bemühungen, wenigstens die Last der Immigranten-Aufnahme irgendwie europäisch zu verteilen, gebracht hat. Und beim Stichwort "Lasten" sollte man nicht vergessen, dass Italien derzeit mit einer Arbeitslosenqute zu kämpfen hat, die höher ist als zur Zeit der sogenannten Weltwirtschaftskrise um 1930 herum. Denn auch wenn man die Integrationsfähigkeit der Neuankömmlinge absolut positiv beurteilen wollte, sind ja die kurzfristigen Lasten nicht zu leugnen. Und unter den Bedingungen der EU (Austerität) bedeuten diese Lasten unausweichlich entweder höhere Steuern oder Kürzungen bei den bisherigen, der "Bestandsbevölkerung" zukommenden Leistungen. Man mag es eine Laune der Geografie oder der Marktstruktur nennen, aber momentan liegen diese Lasten hauptsächlich bei jenen Ländern, denen es - seit Bestehen von EWG/EG/EU!- (relativ) so schlecht geht wie noch nie, also Spanien, Italien und Griechenland. Als in jenem "historischen" Herbst 2015 der ungarische Ministerpräsident Orban viel öffentliche Schelte bezüglich seiner Nicht-Aufnahme-Politik und der Errichtung von Grenzäunen erhielt, entgegnete er, die Flüchtlingsströme seien kein europäisches Problem, sondern ein deutsches - und wenn er damals zu 95% recht hatte, so hat er heute wohl noch zu mindestens 90% recht. |
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11. Die "neue deutsche Frage"? Im 20. Jahrhundert wurden verschiedene politische Probleme mit dem Schlagwort "die deutsche Frage" versehen - zunächst, wie man das hochdynamische neue Kaiserreich in das europäische Machtgefüge integrieren könne. In den 1920ern ging es darum, wie man mit dem besiegten Reich unter der neuen Flagge der Weimarer Republik umgehen solle. In den 1930er Jahren gab es unversehens nur die Wahl, sich dem expansiven Nationalsozialismus zu unterwerfen oder Widerstand zu leisten. Und in den Nachkriegsjahrzehnten bis 1989 ging es um das Verhältnis zu den beiden Nachfolgestaaten des Reiches. Seit 1989 haben die (West-)Eliten des wiedervereinigten Deutschlands alle "Patzer" von Kaiserreich und "Drittem Reich" ziemlich erfolgreich "auszubügeln" versucht. Im derzeitigen EU-Europa hat Deutschland eine so unangefochtene Vormachtstellung erreicht, wie es sich ein Wilhelm II oder oder die Kanzler der Weimarer Republik nicht zu erhoffen wagten (die Träume eines Adolf H. gingen freilich wesentlich weiter). So selbstverständlich ist diese Führungsposition, dass die z.B. die Führungen der Balkanländer Serbien und Kosovo huldvoll zuerst in Berlin (und Washington) nachfragen, ob sie über Grenzanpassungen reden dürfen (vgl. hier: espresso.economist.com). Deshalb war die Entscheidung des BAMF *8 in besagtem Herbst 2015, nunmehr für Syrer "das Dublin-Verfahren vorläufig auszusetzen", eben nicht nur eine innerdeutsche, inneramtlich-technische Verfahrensregelung, sondern ein alle EU-Länder berührender Rechtsbruch, dessen Folgen bis heute andauern. In der Welt der Twitter-Feeds bald in ein schlichtes "Mama Merkel nimmt alle auf" simplifiziert, löste es in den Nahost- und Balkanstaaten und mit Verzögerung in Afrika einen "Run" aus, dem Deutschland und die EU kurz darauf mit einem Mix aus Repressalien, Grenz-Militarisierung und (Geheim-)Abkommen mit zweifelhaften Regimen zu begegnen trachtete.
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Dabei war die scheinbar plötzliche Grenzöffnung jedenfalls in Deutschland durchaus mindestens publizistisch vorbereitet worden. Bis dahin waren ja sehr verschiedene Bezeichnungen für jene Immigranten im Umlauf: Emigranten, Immigranten, Kriegsflüchtlinge, Wirtschaftsflüchtlinge, Illegale, Migranten, Nachzügler, Vertriebene und so fort. Im Sommer 2015 wurden diese Bezeichnungen in den Mainstreammedien fast durchgängig durch "Flüchtling" ersetzt, und als dann tatsächlich die ersten Sonderzüge in den Bahnhöfen ankamen, wurden ausgerechnet von der BILD-Zeitung Fähnchen mit dem Aufdruck "Refugees welcome" verteilt. Tatsächlich sind die Flüchtlinge oder Migranten eben schon damals instrumentalisiert worden. Worum es damals kurzfristig ging, mag für Spekulationen offen sein. Als dann (erwartbar) die meisten anderen EU-Staaten einer Verteilungsregelung nach Quoten nicht zustimmen wollten oder nur unter Vorbehalten, wurde das von der deutschen Regierung als Verstoss gegen die "europäische Solidarität" angeprangert, obwohl natürlich aus den Verträgen keinerlei diesbezügliche Verpflichtung herauszulesen ist. Und mittlerweile benutzt die Kanzlerin dieses Argument offensiv, um für noch weitere Kompetenzverlagerung nach Brüssel zu werben ("es müssen einfache Mehrheitsbeschlüsse reichen"). Natürlich verliert pro forma auch die Bundesrepublik (oder besser die Bundesregierung) bei solchen Regelungen an Souveränität, dies wird aus dem Blickwinkel der entsprechenden Eliten jedoch dadurch kompensiert, dass Berlin die ziemlich unbetrittene Vorherschaft in Brüssel erlangt hat, seine "Machtprojektion" also ausdehnen kann. Die "neue deutsche Frage" wird sein, ob der Rest EU-Europas diesem Hegemonie-Streben der Berliner Republik nachgeben wird, oder aber ob sich rechtzeitig eine Bewegung entwickelt, die eigene Souveränität wiederzuerlangen.
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12. Fluchthelfer, Schleuser... Nach dem Bau der innerdeutschen Mauer gab es zwei dezidiert unterschiedliche Bezeichnungen für die Leute, die anderen Menschen den Grenzübertritt ermöglichten (durch Tunnel, durch mit versteckten Hohlräumen versehene Autos, über ausgekundschaftete Tauschplätze an den Transitautobahnen etc.). Für die westdeutsche Regierung waren es teilweise heroische Fluchthelfer, denen man Jahrzehnte später sogar Ausstellungsflächen in Museen widmete. Für die DDR-Regierung waren es ebenso selbstverständlich kriminelle Schlepper oder Schleuser, die mindestens Beihilfe zu einem Straftatbestand, eben der sogenannten "Republikflucht" leisteten. In Wirklichkeit gab es unter diesen Menschen alle möglichen Charaktere - von idealistischen Hobby-Helfern, die teilweise nicht einmal die Eigenkosten für die nötigen Werkzeuge berechneten, bis zu recht zynisch die Notlage der Ausreisewilligen ausnutzenden Flucht-Profis, die auf diese Art kleine Vermögen erwirtschafteten. Interessanterweise hat sich die Bundesregierung und mit ihr die EU bezüglich der in Nordafrika tätigen Flucht-"Ermöglicher" recht schnell und eindeutig auf eine Bewertung festgelegt: Das sind demzufolge alles Schlepper und Schleuser, und folgerichtig taucht in allen Dokumenten der entsprechenden "Missionen" - ob nun FRONTEX oder SOPHIA - die "Bekämpfung der Schleuser" als zentrales Ziel auf.
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Wie denn nun genau diese "Bekämpfung" stattfindet, wird uns gnädigerweise nicht gezeigt, dafür gelegentlich - wenn es opportun erscheint - ein frisch gewaschener Marine-Zerstörer, der irgendwo eine Hundertschaft Flüchtlinge nach ihrer Rettung anlandet. Eigentlich könnte man erwarten, dass die zahlreichen "NGOs" (Seawatch, Lifeline, Resqueships etc.), die da mit Hilfsschiffen im Mittelmeer unterwegs sind, in der guten Tradition der Gegensatzrede von "Fluchthelfern" reden. Mir ist jedoch diese Art von Bezeichnung aus diesen Kreisen noch nicht untergekommen. Im Gegenteil, sobald von irgendwelchen "Anti-Immigrations"-Gruppen auf die Möglichkeit einer Kooperation zwischen den NGOs und den Fluchthelfern/Schleppern/Schleusern hingewiesen wird, wird diese von den NGOs auf das heftigste abgestritten. Da es durchaus im gemeinsamen Interesse sowohl von NGOs als auch von "Schleusern" liegen würde, den Passagieren einen erfolgreichen Transfer von A nach B (von Afrika nach Europa) zu ermöglichen, haben diese Anschuldigungen immerhin eine gewisse Plausibilität. Was da nun "wirklich wahr" ist, kann ich in Ermangelung eines leistungsfähigen Spionagesatelliten oder eines "humint"-Netzwerkes *9 vor Ort leider nicht sagen... |
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13. … und die "happy few" Richten wir unser Augenmerk auf die von den NGOs und den Marineschiffen Geretteten. Aus unmittelbarer Seenot sind sie, sobald sie an Bord der ja hoffentlich hochseetüchtigen Schiffe gelangt sind, natürlich gerettet. Und damit sind sie offensichtlich Teil einer "happy few"-Gruppe, die eben nicht im Mittelmeer ertrinken mussten oder von irgendeiner lybischen Miliz versklavt wurden. Man kann sogar sagen, dass sie der Rest eines geradezu darwinistischen Ausleseprozesses sind. Und diese Auslese fand auf vielfache Weise statt: vom Vorhandensein von Geld für ein Busticket über die Anwendung rudimentärer Sprachkenntnisse in den Transitländern bis hin zu schierer körperlicher Kraft, die einen Platz auf einem überfüllten Boot sicherte. Und auf diesem Auslese-Pfad sind einige zurückgeblieben: Jene, die ohnehin zu alt oder zu krank für eine beschwerliche Reise waren; jene die gar nicht genügend Startkapital hatten; jene, die sich nicht an den entsprechenden Engpässen (Grenze, Strand, Zugang zum Boot) vordrängeln konnten - und natürlich auch jene, die sich - etwa aus Verantwortungsgefühl für Kinder oder Angehörige - bewusst gegen eine Ausreise entschieden, obwohl sie der gleichen (kriegerischen, ethnischen, wirtschaftlichen) Bedrohungslage ausgesetzt waren.
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Mittlerweile dämmert es einigen der NGOs, dass sie da sehr hohe Anstrengungen für eine sehr spezifische Teilmenge aufgebracht haben - und dabei eine unbekannte Anzahl vermutlich ebenso "rettungsbedürftiger" Menschen garnicht berücksichtigen konnten. Und in gewisser Weise konsequent fordert z.B. "Seebrücke" von der Politik, "sichere Fluchtwege zu schaffen". Nur ist das ja von "der Politik" ernsthaft garnicht umsetzbar und wäre es selbst dann, wenn EU-Europa "mit einer Stimme" sprechen würde - was es ja bekanntlich gerade in dieser Frage nicht tut. Man könnte ebensogut "immer Sonnenschein am 3. Oktober" als Forderung formulieren. Wer ernsthaft alle afrikanischen "Notfälle" aufnehmen wollte, müsste also nicht nur Charter-Schiffe in die Häfen, sondern auch Charter-Flugzeuge in die Binnenregionen schicken, damit sie (nach welchen Kriterien?) die Notfälle aufnehmen und direkt nach Deutschland (oder andere aufnahmebereite Länder) bringen. Offenbar kann man sich da mit der hoch moralischen Forderung "no refugee left behind" in eine höchst zweifelhafte politische Lage bringen, und das seit 2015 andauernde EU-Gipfelkarussell ist eben beredter Ausdruck dafür. |
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14. In den "Fluchtländern" Die (angeblich) vielfältigen positiven Folgen einer Zuwanderung nach Deutschland bzw. Europa werden uns ja von interessierter Seite (etwa dem "Global Agenda Council on Immigration" - siehe hier) immer wieder schmackhaft gemacht ("die demographische Verjüngung", "Behebung des Facharbeitermangels", "die bunte, weltoffene Gesellschaft" etc.). Wieder einmal zeigt sich, dass solche Phänomene ab einer gewissen Grösse aber auch qualitative Änderungen erzeugen: Würde morgen ein Durchschnittsbrite namens Fred X. beschliessen, von Liverpool nach Canberra auszuwandern, hätte das weder für Liverpool noch für Canberra messbare wirtschaftliche Konsequenzen. Ebenso wäre der Umzug einer Mitsuko Y. von Osaka in Japan nach Düsseldorf keiner Zeitungsnotiz wert. Würden aber 100'000 Osaker plötzlich nach Düsseldorf auswandern, hätte das sowohl für Düsseldorf als auch für Osaka erhebliche Folgen. Wenden wir aber den Blick auf die Länder, die durch Emigration einen Teil der Bevölkerung verlieren. Und zwar eben nicht ein paar Dutzend oder Hundert, sondern Tausende oder Hunderttausende oder Millionen. Dem eben beschriebenen Ausleseprozess zufolge ist meist eine tendenzielle Überalterung die Folge, die gerade in Afrika, wo die Sorge für die Alten meist noch nicht über allgemeine Sicherungssysteme "sozialisiert" ist, sondern als Aufgabe der Verwandten angesehen wird, sozialen Sprengstoff bildet. |
Auch der allgemeinen Wirtschaft fehlen dann gerade die ausgebildeten Kräfte. Besonders für den akademischen Bereich hat sich dafür der englische Ausdruck "brain drain" eingebürgert, und an dieser Stelle ist er für die Wirtschaft des jeweiligen Landes besonders schmerzhaft, da man ja u.U. nicht unerhebliche Mittel in die Ausbildung der jungen Leute gesteckt hat. Natürlich bedeutet ein gravierender Bevölkerungsverlust, egal ob nun durch "normale" Migration, Flucht, Seuchen oder anderes verursacht, immer auch einen Schock für die betroffene Gesellschaft, meist mit Verschlechterung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage. Ein Schock, der manchmal im Verlaufe längerer Perioden wieder ausgeglichen werden kann, der aber auch manchmal den Startschuss zu einer sich beschleunigenden Abwärtsspirale bildet. Viele Länder Afrikas befinden sich aber ohnehin in einer prekären Lage und können weitere Schocks eigentlich garnicht gebrauchen. Die Verheissung der Globalisierung, durch allgemeinen, unbeschränkten Freihandel dafür zu sorgen, dass jedes Land - indem es die im jeweiligen Land "im Weltwettbewerb" am günstigsten zu produzierenden Güter und Dienstleistungen bereitstelle und damit am "globalen Wohlstandsgewinn" teilhabe, rückt gerade durch die Migration in immer weitere Ferne, und die neokolonialen Abhängigkeiten werden gerade dadurch zementiert. |
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15. Die Vergessenen Im Mittelmeer sterben also Flüchtlinge aus Afrika und Nahost, und die natürliche Reaktion vieler Menschen ist "helft ihnen doch". Die konkrete Umsetzung durch Rettungsschiffe bedingt aber auch die Notwendigkeit, diese Menschen irgendwo anzulanden. Will man sie nicht geradewegs an den Ausgangsort zurückbringen, sondern an den gewünschten Zielort, die "Wohlstandsinsel" Europa, befindet man sich unvermittelt nicht mehr in einer karitativen, sondern einer politischen Fragestellung: Welches Land soll diese Migranten aufnehmen? Will man die Anzahl begrenzen? Will man den EU-Mitgliedsstaaten ihr konstitutives Recht, über Immigration zu entscheiden, wegnehmen und dem "Supra"-Staat (oder "Super-Staat"?) EU übertragen? Es ist verständlich, dass der Drang, retten zu wollen, gerade durch die Mittelmeer-Flüchtlinge ausgelöst wird, da sie ja quasi "an die Tür klopfen". Aber wir haben ja in den vorigen Absätzen schon gesehen, dass dadurch nur einer "happy few"-Teilmenge der fluchtbereiten oder "fluchtwürdigen" Menschen aus Afrika oder Nahost die Aufnahme ins "gelobte Land" ermöglicht wird bzw. würde. Gänzlich vergessen sind dabei diejenigen, die es nicht einmal vereinzelt in die Boote schaffen - da wären zum Beispiel die Bewohner von Afrin, die sehr effektiv vom türkischen Militär an Fluchtbewegungen gehindert werden. Noch verzeifelter nach Rettung halten vermutlich die Menschen im Jemen Ausschau - aber Saudi-Arabien schottet nicht nur die Landgrenze, sondern auch die Seewege *10 so effektiv ab, dass selbst Schiffe mit Hilfsladungen nur sporadisch durchgelassen werden. |
Die "barmherzige" oder eben karitative Absicht, Menschen retten zu wollen, müsste also dringend um politische Handlungen ergänzt werden, wenn sie nicht nur punktuell und plakativ helfen will, sondern "radikal", also an der Wurzel. Die "Seebrücke" erhebt ja durchaus eine politische Forderung, nämlich "sichere Fluchtwege schaffen". Nur ist die so nebulös und zumindest für Nordafrika so jenseits aller praktischen Realisierbarkeit, dass sie de facto wirkungslos ist. Da aber, wo die EU und die die Union dominierende deutsche Regierung durchaus etwas politisch bewirken könnten, also z.B. für Afrin oder Jemen, ist seltsame mediale Funkstille. Dabei liegen hier doch die Einflussmöglichkeiten klar auf der Hand: mindestens keine Waffenlieferungen mehr an Saudi-Arabien und die Golf-"Verbündeten" und ebenso keine Waffen mehr an die Türkei. Und dem noch-EU-Mitglied Grossbritannien könnte ebenso ein Waffen-Exportstopp und Beendigung z.B. der Pilotenausbildung für die saudische Luftwaffe nahegelegt werden. Vielleicht setzt man auch die Art von persönlichen Reisesanktionen, die in der Vergangenheit so grosszügig über Mitglieder der iranischen und russischen Regierung verhängt wurden, für ausgewählte Golf-Herrscher in Kraft. Ein Saudi-Prinz in Polizeigewahrsam, der in Frankfurt auf den "rückführenden" Flug warten muss, das hätte doch etwas? *11 Und auch für Afrika könnten "wir", die deutsche Regierung und die EU, durchaus sehr schnell etwas sehr wichtiges tun: Die Aufkündigung der euphemistisch "European Partnership Agreements" betitelten Knebelverträge mit den afrikanischen Staaten. Beides Themen, für die man nicht nur im Parlament argumentieren, sondern meiner Einschätzung nach durchaus auch Menschen auf die Strasse bringen könnte. |
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16. Projektionen Eine für Xenophobe aller Art, aber auch für klassische Antisemiten kennzeichnende Haltung ist die Projektion negativer Eigenschaften auf die Fremdgruppe, um damit die Abgrenzung oder Diskriminierung rechtfertigen zu können (dies ist auch durch entsprechende Studien belegt). Für den Antisemiten sind "die Juden" schlechthin "raffgierig und verschlagen" *12 und für den Apartheids-Befürworter "alle Neger" arbeitsscheu und lüstern. Das ist also altbekannt, und ich brauche hier nicht erneut die Unsinnigkeit solcher Pauschalzuweisungen darzulegen. Auf der politischen Gegenseite gibt es aber durchaus ein korrespondierendes Phänomen: Hier werden bestimmten Gruppen pauschal positive Eigenschaften zugeschrieben. Diese Projektionen sind nicht ganz so simpel wie bei "den Rechten", und sie dienen auch nicht der Abgrenzung, sondern der Aneignung. Indem man der protegierten Gruppe möglichst gute Eigenschaften zuschreibt, wird der eigene Einsatz für die "gemeinsame" Sache umso edler. Um es vielleicht an einem drastischen Beispiel zu demonstrieren: Wer einen bekennenden Altnazi vor dem Ertrinken rettet, ist nach dieser psychologischen "Logik" weniger edel als derjenige, der einen tibetanischen Mönch vor dem Absturz in eine Felsspalte bewahrt. Diese positiven Projektionen sind, wie gesagt, nicht so starr wie bei den typisch rechten Einstellungen wie Xenophobie und Antisemitismus; ihre Projektionsfläche kann durchaus wechseln. Und manchmal werden sie durch die Projektionen der Gegenseite geradezu stimuliert: Wenn die BILD-Zeitung *13 also jeden Kriminalfall mit Beteiligung von Migranten masslos aufbläst, die Täter zu "wilden Bestien" überzeichnet, dann will "der Linke" spontan dagegenhalten und erklärt alle Migranten zu Opfern, die "eigentlich" nie etwas mit Kriminalität zu tun haben können. Und für die Mittelmeerflüchtlinge möchte er annehmen, dass sie durch die (unbestreitbaren) Strapazen der Flucht quasi "geläutert" sind, eine Assoziation mit Gewalt oder Kriminalität also von vornherein unzulässig ist. In gewisser Weise hat dann der "Migrant" die Funktion des "edlen Wilden", über den in Kapitel 3 die Rede war, übernommen. |
Projektionen sind aber hinderlich beim Erkennen der Realität. Zur Realität gehört natürlich, dass der weit überwiegende Anteil der Migranten (vielleicht sogar 99,9%) nach ihrer Ankunft sich vollkommen gesetzestreu verhält. Wenn aber in der deutschen "Bestandsbevölkerung" laut UN-Statistik 1,2 gewaltsame Todesfälle pro 100'000 Einwohnern zu verzeichnen sind, mithin wohl eine entsprechende Anzahl von Gewaltverbrechern unter den "Bestandsbürgern" vorzufinden ist, wäre es naiv anzunehmen, dass unter 800'000 eingewanderten Syrern keine Verbrecher sind. Wenn die entsprechende Zahl für Syrien in ähnlicher Grössenordnung *14 wäre, kämen wir "rein rechnerisch" auf mindestens 9 Gewaltverbrecher. Und die vielleicht naive Frage eines "Bestandsbürgers", ob man denn nicht wenigstens diese Leute hätte "raushalten" können, wird zwar in letzter Konsequenz mit "nicht alle" zu beantworten sein (denn auch intensivste Kontrollen würden nicht alle sogenannten "Gefährder" erkennen können) - aber die Frage bleibt dennoch legitim. Und die subjektive Bedrohung wird nicht geringer, wenn über afghanische Drogenhändler oder rumänische Menschenhändler berichtet wird. Das alles konstituiert zwar keinesfalls die von AfD oder manchmal auch CSU beschworene "Kriminalitätswelle durch Asylanten", aber die Verunsicherung ist da. Und wird nicht geringer, wenn wie beim Fall Amri unklar ist, ob der Verfassungsschutz die Bevölkerung vor dem "Gefährder" oder denselben vor der Bevölkerung oder aber zuallererst das "Amt" vor Nachfragen schützen wollte. Dem allen setzt "der Linke" sein nicht unberechtigtes Vertrauen in die Normalität der Eingewanderten entgegen. Zur Normalität gehört aber auch, dass unter es unter den Migranten natürlich auch alle üblichen Arten von selbstsüchtigen oder gestörten Individuen gibt - bis hin zu Kleinkriminellen oder Gewaltverbrechern. |
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17. Illusionen Mir wurde kürzlich ein Text aus der Zeitschrift "marx21" (Ausgabe April 2018) zugetragen, in welchem sich diese interessanten Sätze finden: "Die sozialistische Antwort auf Verteilungskämpfe und Konkurrenz auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt muss ein antikapitalistischer und internationalistischer Klassenstandpunkt sein. Nötig sind gemeinsame Kämpfe mit Zugewanderten für Umverteilung, einen höheren Mindestlohn, bezahlbaren Wohnraum und gegen rechte Hetze." Man kann erahnen, wie vor dem Auge des Verfassers die Heerscharen der werktätigen Massen, nunmehr sich mit den Bewohnern der Flüchtlingsheime vereinend, endlich das sozialistische Paradies erstreiten. Und weil die Vermittlung des "antikapitalitischen Klassenstandpunkts" schon so einfach war, wird er auch gleich mit dem notwendigen "Internationalismus" verknüpft. Ach, das letzte Mal, als ich so traumhafte linke Lyrik lesen durfte, war in den 1970ern, als die diversen K-Gruppen (KBW, KPD-ML etc.) gerne vor die Werkstore der grossen Unternehmen zogen und bitterlich enttäuscht waren, dass sich die "werktätigen Massen" dann doch nicht hinter ihrer roten Fahne versammeln mochten. Die Wahrheit im beginnenden 21. Jahrhundert ist natürlich, dass "Arbeiterklasse" zumindest in den westeuropäischen Ländern schon lange kein mobiliserender Begriff mehr ist, sondern eher abschreckt. Und dass es schwierig genug ist, auch nur innerhalb eines multinationalen Betriebes ein Gefühl von Solidarität zu erzeugen - z.B. zwischen den Ford-Arbeitern in Dagenham (UK) und Köln (D). Sind unterschiedliche Branchen betroffen, wird es noch schwieriger - aktuell etwa, wenn man an die RWE-Mitarbeiter im Braunkohletagebau denkt, die sich eher in einem Interessengegensatz zu etwa Windanlagen-Herstellern sehen. Interessen sind genau das Stichwort: Diese sind eben, mindestens kurzfristig, oft tatsächlich divergierend. Und gerade eben auch zwischen den Lohnabhängigen der "Bestandsbevölkerung" und den Flüchtlingen/Migranten. Und dass die "Vertreter der Kapitalseite" zumindest fallweise alles tun, diese Gegensätze zu betonen, sollte auch nicht vergessen werden. Träume helfen da nicht weiter. |
Eine harmlosere Illusion wird kaum je ausgesprochen, ist aber in vielen Diskussionsbeiträgen dennoch spürbar. Es geht da um die Erwartung, dass die Flüchlinge/Migranten, nachdem man sich "linkerseits" so sehr um sie bemüht habe, dann in der Zukunft - wenn sie wahlberechtigt sein werden - aus Dankbarkeit heraus dann auch "links" wählen würden. Nun ist "Dankbarkeit" zwar in direkten persönlichen Beziehungen sehr wohl ein starker Handlungsanreiz. Im politischen Rahmen ist aber Vertrauen auf Dankbarkeit eher fehl am Platz (wovon z.B. ein Mr. Churchill ein Lied zu singen gewusst hätte). Wir brauchen aber garnicht spekulieren, wie sich das dereinst bei den heute neuen Flüchlingen/Migranten auswirken mag, wir können einfach auf die ja im Grossen und Ganzen gut integrierte Gruppe der Türken schauen. In den Kandidatenlisten der Parteien findet man "Türken" oder türkisch-stämmige Politiker nun durchaus nicht exklusiv bei den "linken" Parteien, sondern ziemlich gleichmässig verteilt. Viel stärker wirkt bei der Parteipräferenz der dann jeweils erreichte sozio-ökonomische Status, oder beispielhaft gesagt: der türkisch-stämmige Kleinunternehmer landet genauso selbstverständlich bei CDU oder FDP wie der pensionierte Biologielehrer bei den Grünen. Das alles heisst nun nicht, dass man sich nicht um gemeinsame Aktionen auf allen Ebenen und zusammen mit den verschiedensten Gruppen bemühen dürfte, wenn es etwa um höheren Mindestlohn oder bezahlbaren Wohnraum geht. Nur wäre es naiv, anzunehmen, gerade die Flüchlinge/Migranten wären in dieser Hinsicht leicht zu mobilisieren, denn natürlich haben diese Menschen zuvorderst ganz andere, drängendere Probleme (Sprache, Arbeit, Nachzug von Angehörigen etc.). Die manchmal geradezu frenetisch begrüsste "Buntheit" wird auf absehbare Zeit durchaus nicht zu einer Ausweitung des "progressiven Lagers" führen, sondern im Gegenteil eher zu weiterer Passivierung der Bevölkerung, zum Teil auch zu weiterer Aufsplitterung. Und zur "Buntheit" gehören dann auch Farben, die man sich eigentlich gar nicht wünschen möchte: Das Tiefgrün des konservativen politischen Islams, das Grau der türkischen Grauen Wölfe, das Braun faschistischer Splittergruppen. |
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18. Kompensationen und Risiken Hinter dem Einsatz für die "sicheren Fluchtwege" für Flüchtlinge bzw. Migranten steckt nicht allein die Absicht, Menschen aus konkreter Gefahr zu retten. Gerade bei den geschichts-bewussten Linken spielt auch das Bedürfnis nach einer Art Kompensation für das historische koloniale Unrecht als auch die immer noch andauernde post-koloniale Ausbeutung der "Südländer" und insbesondere Afrikas eine Rolle. Und bezüglich dieses gewaltigen materiellen Wohlstands-Transfers von Süd nach Nord hätten gerade die europäischen Staaten und besonders jene mit früherem Kolonialbesitz tatsächlich Anlass zur Wiedergutmachung. Nur gilt hier noch mehr als beim Thema "Fluchtwillige" und "Fluchtbereite", dass die Zuteilung des Hauptgewinns "Leben in Europa" (wenn es denn ein Hauptgewinn ist) ja dann nur eine Teilmenge der "Berechtigten" erreicht. Sie schliesst sogar gerade die, welche einer solchen Kompensation am ehesten bedürften - also alleinstehende Frauen mit Kindern, Alte, Schwache, besonders Arme - damit erst recht von Kompensation aus. Karitativer Einsatz ist eben kein Ersatz für politische Analyse und politische Aktion. Das soll nicht abschrecken, sich eben auch karitativ zu engagieren - ob nun für Rettungs-Schiffe, Flüchtlingsunterkünfte oder an den sogenannten "Tafeln" oder auch bei ganz anderen Notlagen - Erdbebenopfer in Indonesien oder Waisenkinder in Indien. Nur - und das sieht man etwa bei den Tafeln nur allzu deutlich - ist man damit oft in Gefahr, zum "Ausputzer" für von den Eliten verursachte Notstände zu werden. Wer nun als Deutscher ganz konkret Menschen aus dem Mittelmeer retten will, sollte eben auch so konsequent sein, die folgende Last der Versorgung nicht einfach in Italien, Spanien oder Griechenland "abzuladen". Der sollte diese Menschen dann auch gleich nach Deutschland bringen (sozusagen ins "Herz der Wohlstandsinsel") - Stichwort Amerika-Kai. Und es wäre spannend zu sehen, wie die Bundesregierung darauf reagiert... |
Gerade "Linke" finden - vollkommen zu Recht - auch in diesem Lande jede Menge Ungerechtigkeiten und soziale Schieflagen. Insofern erstaunlich, dass für die Migranten/Flüchtlinge der Einzug nach Deutschland dann so umstandslos als "Rettung" angesehen wird (weswegen ich das mehrmals ironisch als "Hauptgewinn" bezeichnet habe). Solange die Verwaltung funktioniert (was ja auch nicht immer gegeben ist), mag die materielle Versorgung sichergestellt sein. Was ist mit der Integration, die vielen trotz Bemühung garnicht so leichtfallen mag, und die andere vielleicht sogar - aus guten oder schlechten Gründen - ablehnen? Eine neue Sprache zu erlernen mag ein Vergnügen sein, wenn man sie freiwillig für den nächsten Urlaub lernt - für den Migranten aus Syrien oder Sudan kann es harte und frustrierende Arbeit sein. Und wenn am Kiosk um die Ecke nicht nur freundliche Rentner, sondern auch frustrierte "Pegidisten" abhängen, wird der Gang dorthin keine Freude sein. Wer die jüngsten Vorgänge um DITIB, den prominentesten islamischen Verband in der BRD, und dessen allzu enge Verbindung mit der türkischen Regierung wahrgenommen hat, sieht auch eine andere Gefahr: Diese wachsenden Exklaven von Menschen aus anderen Ländern und Kulturen können zum Ziel ausländischer Verbände und/oder Staaten werden, die ihre (ehemaligen) Landsleute für ihre politischen Zwecke einspannen wollen. Früher hat man so etwas als "5.Kolonne" gebrandmarkt und bekämpft, heute werden bereitwillig zumindest die personell-organisatorischen Voraussetzungen geschaffen. In Bezug auf Israel gibt es übrigens die ensthafte Ansicht einiger Palästinenser, man brauche nur den bereits vorhandenen "Vorsprung" in der Geburtenrate weiter zu forcieren, um in wenigen Jahrzehnten das "jüdische Problem" sozusagen demografisch zu lösen: Indem man als neue absolute Mehrheit in Israel den Staat quasi "übernehme" *15. Nicht auszuschliessen, dass solche Gedanken auch bei in Europa "gestrandeten" Arabern Anklang finden. Auch deswegen ist eine bewusst oder durch ökonomische Faktoren herbeigeführte Ghettoisierung nicht wünschenswert, die sogenannten "banlieus" in Frankreich sind da schlechtes Beispiel. |
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Die am Anfang erwähnte Grossdemo in Berlin am 13.Oktober ist, während ich dies schreibe (also rund 2 Wochen später) medial praktisch vergessen und bietet auch, soweit ich das beurteilen kann, keinerlei Diskussionsstoff mehr im Alltagsleben. Erstaunlich für eine der nach Teilnehmerzahl grössten Demos in der Geschichte der BRD *16. Einen Tag vorher hatte eine Dagmar Henn eine m.E. sehr stichhaltige Analyse des "unteilbar"-Demoaufrufs unter dem Titel "Aufbruch ins Ungefähre" verfasst *17. Neben dem nebulösen Charakter der "Forderungen" verweist Frau Henn auch auf verschiedene Formulierungen im Aufruftext, die die teilweise ja sehr konkrete Verantwortung der Bundesregierung (möglicherweise bewusst?) zum Verschwinden bringen. Und so entsteht ein Aufruf und in der Folge eine Demo, die Niemandem aus der politischen und wirtschaftlichen Elite der BRD weh tut, die vielmehr als ein Harmonievehikel der "guten Leute" dient, die sich "wechselseitig auf die Schulter [klopfen], weil sie die Guten sind". Schon erklärt sich auch das ausgeprägte Wohlwollen in der Berichterstattung über die Demo durch ARD und andere Establishment-Medien, die das schöne Harmonie-Bild nicht einmal durch abweichende Polizei-Schätzungen der Teilnehmerzahl trüben wollten.
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Oder anders formuliert: Die Demo hat im Effekt die aufgekommene Unsicherheit über das Erstarken der AfD und die Empörung über die Mittelmeer-Toten in für die Regierung völlig ungefährliche Bahnen kanalisiert. Die konkreten Teilnehmer sind erschöpft, aber glücklich nach Hause gegangen, in der wohligen Gewissheit, "etwas gegen die Rechten und für die Migranten" getan zu haben, während sie in Wirklichkeit nichts erreicht haben. Wobei das wieder nicht ganz stimmt: Man hat nämlich einmal mehr einer verschwurbelten Bekenntnis-Ethik den Vorzug gegeben, und der Vorwurf "Warum warst du nicht dabei?" dient erneut als billiger Lackmus-Test für die rechte Gesinnung. Und der wurde dann ja medial auch prompt an Sarah Wagenknecht und andere gerichtet. Nüchtern betrachtet sind Flüchtlinge und Migranten unter anderem eben auch ein weiterer Hebel, um den Sozialstaat weiter zu demontieren. Wenn die Bundesregierung sich grosse Mühe gibt, die anstehende Unterzeichnung des "UN-Migrationspaktes" entweder komplett unter dem Radar der Öffentlichkeit zu halten oder aber "schönzulügen" (siehe Norbert Haering: Migrationsabkommen), dann führt die Suche nach den Hintergründen eindeutig zu den Multimilliardären und Weltkonzernen, die u.a. über das Davoser Weltwirtschaftforum ihren Einfluss auf die Regierenden sichern (siehe ebenfalls Norbert Haering). Und dann sollte man sich schon überlegen, ob man nicht gerade den Falschen den grössten Gefallen mit "no borders" *18 tut.
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20. "The wisdom always to tell the difference"
An den Anfang dieses Textes habe ich ein "Gebet" gestellt, das auch in der täglichen politischen Beurteilung nützlich sein kann: "…gib mir die Gelassenheit, die Dinge zu ertragen, die ich nicht ändern kann; den Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann; und die Weisheit, das eine vom anderen unterscheiden zu können..." Bezogen auf das Migrantenthema würde ich mir also wünschen, dass wir uns trotz aller emotionalen Betroffenheit nicht über Wünschbarkeiten ("keine Mittelmeertoten mehr") den Blick auf das Machbare, das Änderbare verstellen lassen. Wir können tatsächlich sehr viel tun, z.B. Waffenexporte national und aus der EU heraus beenden, diplomatisch um Frieden für Jemen und Syrien ringen und die EU-Knebelverträge mit Afrika beenden. Was wir nicht tun können, ist ein wolkiges LGBT- oder LGBTIQ-Paradies in alle Welt exportieren. Und - leider - können wir noch nicht einmal das Sterben im Mittelmeer vollständig beenden, wir können es nur bestmöglich reduzieren durch "kluge" oder vielleicht sogar "weise" Politik. - - -
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Es ist nicht zu übersehen, dass nicht nur die Grünen sich in der Merkel'schen Post-Demokratie ganz behaglich eingerichtet haben. Dann und wann gibt man ein Protest-Statement heraus, besucht vielleicht auch eine Demo, aber allzu heftige Kritik etwa an der "ewigen" Kanzlerin äussert man besser nicht - man möchte ja in den Ausschüssen von den CDU-Kollegen nicht geschnitten werden. Ein Musterbeispiel dafür war z.B. das laue Statemant von Petra Kipping zur Nachricht vom Merkel'schen Rückzug aus der Parteiführung. So ist der zugegeben versimpelnde, aber eben auch einprägsame Protestruf "Merkel muss weg" widerstandslos an die AfD abgegeben worden, die sich auch damit als "letzte Protestpartei" inszenieren kann. Vermutlich hat eine grosse Zahl derjenigen Wähler, die früher die LINKE als Protestpartei gewählt hatten und nun zur AfD gewechselt sind, ein Hauptmotiv, nämlich den Eindruck, dass man in der LINKEN sich mehr mit dem Schicksal der Flüchlinge/Migranten als mit ihrem Schicksal als Hartz-4-Empfänger, als Rentner oder als "prekärer" Arbeiter beschäftige. Man hatte Solidarität von der Partei erwartet, erhielt aber oft nur den Vorwurf zurück, nicht genug Solidarität mit den Flüchlingen/Migranten zu zeigen. Solidarität ist eben, zumindest für reale Menschen, nicht grenzenlos. Sie benötigt ein "wir"-Gefühl, das nicht einfach verordnet werden kann, sondern sich bestenfalls im Laufe der Zeit herausbildet. Da hilft auch das ewige "niemanden ausgrenzen"-Gerede nicht weiter.
(November 2018) |
*1 "Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet Ihr merken, dass man Geld nicht essen kann." Laut Wikipedia ist ein wirklich indianischer Ursprung dieser Textzeilen nicht nachweisbar. Für unsere Betrachtung ist das aber irrelevant; es kommt in diesem Zusammenhang auf die zum Ausdruck gebrachte Sehnsucht nach einer vor-industriell oder vor-zivilisatorischen "heilen Welt" an. *2 Die Solidarität bzw. Affinität zahlreicher Menschen aus dem linken Spektrum mit ausgerechnet den Kurden ist insofern nicht überraschend, da diese nicht nur eine mehrfach unterdrückte Minderheit sowohl in ihren "Heimatstaaten" als auch in der BRD darstellen, sondern weil sie - zumindest teilweise - einen aufgeklärten Islam propagieren, der z.B. die Gleichberechtigung der Frau anstrebt und z.B. in der nordsyrischen Provinz Afrin mit basisdemokratischen Verfahren experimentierte, bevor die türkische Armee dies durch ihre Invasion beeendete. *3 Vermutlich wird Thomas Mann aber trotzdem soweit sprachkundig gewesen sein, sich beim englischen oder amerikanischen Bäcker mit Brot zu versorgen oder im Restaurant ein Essen bestellen zu können. *4 Das Jahr 1907 war das Jahr mit der prozentual höchsten Einwanderungsquote (1,4%), die die USA je erlebten. *5 Und - was noch wichtiger wäre - es ist eben nicht nur ein Leben ohne Anwendung der deutschen Sprache möglich, sondern auch ohne Verständnis für die geschriebenen und ungeschriebenen Regeln des Zusammenlebens, die sich in Deutschland etabliert haben (was man gerne mit dem schwammigen Begriff "Kultur" umfasst). *6 Am "Amerika"-Kai legten im 19. und frühen 20. Jahrhundert die nach Übersee fahrenden Ozeandampfer ab, die damals auch eine grosse Anzahl deutscher Immigranten in die USA brachten. *7 Ich werde hier wie im Folgenden darauf verzichten, alles "durchzugendern". Gemeint sind natürlich männliche wie weibliche Araber, ebenso wie trans-und bi-sexuelle und alle anderen Spielarten sexueller Orientierung... *8 Die Abkürzung BAMF steht für "Bundesamt für Migration und Flüchtlinge" - Zu den möglichen Hntergründen dieser Entscheidung habe ich unter dem Titel "Ein Wettlauf in der Wüste" einige Überlegungen geäussert, die m.E. nach wie vor stichhaltig sind. *9 Der Begriff "humint" steht im US-Geheimdienstwesen für "human intelligence", also durch Menschen gesammelte Informationen, während "sigint" für "signal intelligence", also durch "Signale" oder Abgreifen elektronischer Kommunikation erworbene Informationen steht. Klassischerweise war z.B. die CIA für "humint" zuständig, und die NSA für "sigint". Im Zuge der Umwandlung der USA in einen "mukhbarat"-Staat "wildern" die Dienste aber mittlerweile heftig im Revier ihrer jeweiligen "Kollegen". *10 In dieser Seeblockade wird Saudi-Arabien noch tatkräftig durch die deutsche Bundesregierung mittels der Lieferung von Patrouillenbooten unterstützt! Zu diesem "vergessenen Krieg" hatte ich bereist im August 2017 geschrieben. |
*11 Hier regt sich sicher der Einwand, dass die Saudis durchaus unangenehm reagieren könnten - sei es durch "Drehen an der Oelschraube" oder durch "Entzug von Investitionen". Wirkliche politische Änderung ist eben nicht zum "Nulltarif" zu bekommen. Allzu grosse Angst sollten wir aber dennoch nicht haben - die Saudis werden wohl kaum einen Demontagetrupp nach Sindelfingen schicken... *12 Vielleicht waren für die Nazis gerade diese beiden Zuschreibungen so wichtig, weil mit Herrmann Göring ein unübersehbar raffgieriger und mit Joseph Goebbels ein höchst verschlagener Mensch an die Macht gekommen war... *13 Dieselbe Zeitung, die 2015 "refugees welcome"-Fähnchen sponsorte - auch diese "Wende" wäre einer genaueren Betrachtung wert. *14 Der UN-Report stammt aus 2013, also zufällig dem letzten "Friedensjahr" für Syrien, und nennt für dieses Land die Zahl 2,2. Die Zahlen für einige andere willkürlich ausgewählte Länder: Frankreich 1,4 - Italien 0,7 - Niederlande 0,6 - Afghanistan 6,5 - Kenia 4,9 - Mali 10,9 - Nigeria 9,9 - Russland 10,9 - USA 5,4. Dass solche Zahlen mit höchster Vorsicht zu geniessen sind, sollte mittlerweile bekannt sein (bitte also nicht folgern, dass es in Frankreich doppelt so unsicher wie in Italien sei...). Hier kommt es aber nur auf die Grössenordnung an. *15 Mit diesem Umstand ist vielleicht auch teilweise die kürzlich erfolgte Neufassung der israelischen Verfassung zu erklären. Die faktische Degradierung der nichtjüdischen Bürger Israels zu Bürgern 2. Klasse ist natürlich trotzdem abzulehnen. *16 Zum Vergleich: Für die berühmte Bonner Hofgartendemo von 1981 werden 300'000 Teilnehmer angegeben. *17 Einige Punkte in diesem Text finden zwar nicht meine Zustimmung, aber Frau Henn hat ohne Zweifel die Mängel von Aufruf und Organisation klar erkannt. *18 Eine typische Entgegnung aus der AfD-Ecke zur "no borders-These" ist, "Was machen wir, wenn dann alle Afrikaner kommen?". Und darauf wird von "links" typischerweise geantwortet, dass ja niemals "alle" Afrikaner kommen, die Einwanderungszahlen ja in der Vergangenheit immer so und so waren etc. Wenn aber tatsächlich "no borders" in der BRD zum Gesetz würde und auch die geforderten "sicheren Fluchtrouten" eingerichtet wären, könnten im Falle z.B. eines Bürgerkrieges im Tschad oder in Nigeria leicht tatsächlich Millionen Flüchtlinge unterwegs sein. Dann müsste z.B. die Frage nach der Unterbringung in ganz anderem Umfang beantwortet werden. Und Deutschland würde mit "no borders" sicher allein sein, ein Abwälzen der Lasten auf die anderen EU-Länder würde von diesen dann sicher komplett abgelehnt werden. Indirekt liefert man also mit "no borders" gerade denjenigen die Argumente, die man doch eigentlich bekämpfen möchte.
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