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Ein doppelter Rittberger mit Fallrückzieher und Knalleffekt?
1. Iran, Israel und USA Zunächst zu den unbestrittenen Tatsachen in der neuesten militärischen Auseinandersetzung in "Nahost" oder "Middle East": Am 13.Juni 2025 griff die israelische Armee überraschend den Iran an und bombardierte neben einer Reihe von klassisch militärischen Zielen auch diverse Nuklearanlagen. Ebenso wurden auch Einzelpersonen aus dem zivilen und militärischen Bereich, z.B. durch Drohnenangriffe, gezielt getötet. Schon am nächsten Tag erwiderten die iranischen Streitkräfte das Feuer mit zahlreichen Drohnen- und Raketenangriffen auf Israel. In den frühen Morgenstunden des 22. Juni 2025 wurden dann drei iranische Nuklearanlagen mit Marschflugkörpern und bunkerbrechenden Bomben von US-Flugzeugen und Schiffen aus angegriffen. Als Vergeltung feuerte der Iran am 23. Juni erneut Raketen auf Israel, aber auch einen Salve von vermutlich 19 Raketen auf einen US-Militärstützpunkt im Golf-Emirat Katar, die allerdings - auch aufgrund einer entsprechenden Vorwarnung Irans - zum grössten Teil abgefangen werden. Am späten Nachmittag desselben Tages erklärt US-Präsident Trump überraschend in einer "Social-Media"-Botschaft, dass ein Waffenstillstand zwischen Iran und Israel vereinbart sei, in Kürze in Kraft trete und somit der Krieg nach 12 Tagen beendet sei. Soweit die Fakten. Wenig Uneinigkeit besteht auch darin, welche Begründungen seitens Israel und der USA für ihre Militärschläge gegeben wurden. Von Israel wurde zunächst von einem Präventivschlag gesprochen, der nötig sei, um den Iran von der Vollendung der Herstellung atomarer Waffen abzuhalten. Später wurde jedoch auch von der Notwendigkeit eines "regime change" in Teheran gesprochen, da das dortige Regime für "weltweiten Terror" verantwortlich sei. Die US-Regierung übernahm die israelische Darstellung der Dringlichkeit der Abwehr nuklearer Aufrüstung durch Iran, weswegen man sich eben auch auf die "komplette Zerstörung" der Anlagen in Isfahan, Natanz und Fordow konzentriert habe.
2. Eine geniale Lösung? Was sich da in diesen knapp zwei Wochen zwischen Iran, Israel und den USA ereignete, hatte eindeutig das Potential zur Ausweitung zu einem umfassenden Krieg, und zwar nicht nur zwischen diesen drei Ländern. Zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Textes wird der Waffenstillstand scheinbar immer noch eingehalten, und schon dafür sollten alle vernünftigen Menschen dankbar sein. Der entscheidende Akteur waren offensichtlich die USA, oder aber im "pars-pro-toto"-Stil, schlicht "Trump". Versucht man die Sachlage zu analysieren, ist unschwer zu erkennen, dass "Trump" oder eben die US-Regierung in ein durchaus gefährliches Spannungsfeld geraten war. Auf der einen Seite drängten die israelische Regierung, aber auch die einflussreiche einheimische Israel-Lobby auf einen Kriegseintritt an der Seite Israels, möglicherweise mit dem Ziel, den iranischen Staat ähnlich endgültig zu vernichten wie Lybien *1 oder Syrien. Dann die stets kriegsbereiten "Falken" aus beiden grossen US-Parteien, mächtig unterstützt vom militärisch-industriellen Komplex und den ebenso kriegslüsternen Medien. Auf der anderen Seite die sogenannte MAGA-Fraktion *2 der mehr oder minder überzeugten Trump-Untertützer, die ihn auch genau wegen seiner zahlreich geäusserten Versprechen, Kriege zu beenden statt zu beginnen, gewählt hatten. Diese drohten sozusagen "von Bord" zu gehen, sollte er ein neues "foreign entanglement" *3 beginnen. Ob auch die Opposition grosser Teile des "globalen Südens" sowie der BRICS-Staaten eine Rolle spielte, ist schwer einzuschätzen. Wie also agieren? Auffallend ist, dass mit dem Kriegseintritt der USA ein zunehmend theaterhaftes Element Einzug hielt. Tagelang wurden die Mainstream-Medien mit Details aus dem US-Waffenarsenal geflutet. Um dem iranischen Atomprogramm, dem vorgeblichen Anlass der ganzen Aktion, endgültig den Garaus zu machen, seien die "dicksten" konventionellen Bomben im US-Programm, die 13 Tonnen schweren "bunker buster" vom Typ "GBU-57" vonnöten. Und dieselben könnten nur von "Tarnkappen"-Bombern des Typs B-2 ins Ziel gebracht werden. ARD und ZDF wussten zu berichten, dass die "geheimste" iranische Nuklearanlage in Fordow 60 Meter unter der Erde verborgen sei, aber ebenso, dass die in Bildern vorgestellte GBU-57 glücklicherweise bis zu 61 Meter tief eindringen könne. Videos zeigten An- und Abflüge des merkwürdig ungelenk wirkenden Nurflügel-Bombers B-2 (aus ästhetischen Gründen oder auch als Hommage an den Regisseur Stanley Kubrick *4 hätte manch einer wohl den Einsatz der altgedienten B-52 vorgezogen...). Auch der prompte "Vergeltungs"-Schlag Irans gegen den US-Stützpunkt hatte etwas Theatralisches - zum einen durch die Aktions-Bezeichnung "Verheissung des Sieges", zum anderen durch die Betonung der Symbolhaftigkeit durch den Iran selbst: "The number of missiles used in this successful operation was equal to the number of bombs the United States used in its assault on Iran's nuclear facilities." *5. Und vor allem auch durch die ausreichend vorher erfolgte Ankündigung des Angriffs, der dafür sorgte, dass überhaupt keine menschlichen Opfer zu beklagen waren. Schliesslich war auch der von Mr. Trump plötzlich verkündete Waffenstillstand zwischen Israel und Iran insofern historisch einmalig, als es offenbar gar keine Verhandlungen zwischen den Parteien gegeben hatte und dieselben scheinbar erst nachträglich überhaupt zustimmten. Der Verdacht könnte aufkommen, dass der Ablauf in weiten Teilen im Voraus abgekartet war.
3. Friedensengel mit Vorschlaghammer Wir sollten die Politiker an ihren Ergebnissen messen, und der momentan andauernde Waffenstillstand ist, wie gesagt, jedem weiteren Blutvergiessen vorzuziehen. Ist also Mr. Trump, wie es seine treuesten Anhänger diesseits und jenseits des Atlantiks immer geglaubt haben, ein wahrer Friedensengel? Auf jeden Fall ist der Verlauf dieses "12-Tage-Krieges" vom Standpunkt der Trump-Regierung aus gesehen ein voller Erfolg: Man hat sowohl die Israel-Lobby als auch den "MIC" (den militärisch-industriellen Komplex) befriedigt, man hat die israelische Regierung - vielleicht in letzter Sekunde - vor einem allzu verlustreichen Langzeit-Krieg bewahrt, und konnte wieder Ansehen bei der eigenen MAGA-Bewegung gewinnen. Das, was Mr. Trump da politisch gelungen ist, könnte man in Sportmetaphern als "doppelten Rittberger mit Fallrückzieher" und Knalleffekt bezeichnen. Allerdings scheint der Trump'sche "Friedensengel" statt mit einer Harfe lieber mit einem Vorschlaghammer zu hantieren. Die Liste der schwer beschädigten oder möglicherweise endgültig obsolet gewordenen Normen, aber auch Institutionen, ist lang und bedeutsam.
4. Opfer Die Liste der menschlichen Opfer ist glücklicherweise kürzer als beispielsweise im Gaza-Krieg, aber sie sollten trotzdem nicht vergessen werden. In Israel sind es wohl an die 100, im Iran um die 600 Menschen, die den Tod fanden - von den Verletzten garnicht zu reden. Vom politischen Standpunkt her ist freilich die eklatante Missachtung des Völkerrechts, die sowohl Israel als auch die USA demonstriert haben, gewichtiger (siehe dazu auch diesen Artikel von György Varga). Weder Israel noch die USA sind vom Iran angegriffen worden, und die insbesondere vom israelischen Premier Netanyahu seit Jahrzehnten (!) vorgetragene Behauptung, der Iran beabsichtige die Herstellung von Nuklearwaffen und stehe kurz (wenige Wochen-Monate-Jahre?) vor ihrer Fertigstellung, wurde bislang von keiner einigermassen unabhängigen Stelle bestätigt. Im Gegenteil, noch bei dem im März vorgelegten Bericht der US-Geheimdienste war der Konsens, dass es keine Kernwaffenfertigung im Iran geben würde. Auch der sogenannte "Non-ProliferationTreaty" NPT, also der Atomwaffen-Nicht-Weiterverbreitungs-Vertrag, ist durch die Ereignisse schwer beschädigt. Nicht nur Politiker im Iran, sondern auch in zahlreichen anderen sogenannten Schwellenländern werden das Schicksal des iranischen Atomprogramms mit dem von Nord-Korea vergleichen und zu dem Schluss kommen, dass man letztlich doch nur durch die erfolgreiche Herstellung eigener Atomwaffen das eigene Land vor solchen Überraschungsangriffen schützen könne. Der im NPT vorgesehene Tauschhandel (man verzichtet auf die Herstellung eigener Atomwaffen, wird dafür bei der Entwicklung ziviler Nukleartechnologie unterstützt) verliert seinen Reiz, wenn die damit verbundene Überwachung der eigenen Anlagen durch die IAEA (International Atomic Energy Agency) möglicherweise Angriffe auf diese Anlagen sogar technisch vorbereitet. In diesen Verdacht geriet die IAEA durch den letzten Report über Iran, der im Gegensatz zu den vorherigen die Möglichkeit Irans, Uran von waffenfähigem Reinheitsgrad herzustellen, betonte. Insofern zählt auch die Glaubwürdigkeit der IAEA zu den Opfern der Vorschlaghammer-Methode. Allerdings hatte auch schon die erstaunliche Weigerung der IAEA, den Artillerie- und Drohnen-Beschuss auf den von Russland besetzten AKW-Komplex Saporischje einer der Kriegsparteien zuzuordnen, erheblichen Ansehensverlust verursacht. Jede einigermassen sinnhafte Erklärung kann nur zum Schluss kommen, dass die Ukraine den Beschuss vornahm. Beschuss von Kernanlagen - ob nun in der Ukraine oder im Iran oder sonstwo - ist aus naheliegenden Gründen verboten, egal ob mit 155-mm-Artileriegranaten oder mit 13-Tonnen-Bomben. Schon die Anti-AKW-Bewegung der 1970er Jahre in der BRD hatte immer darauf hingewiesen, dass schon ein gänzlich unabsichtlicher Absturz einer Passagiermaschine auf einen Kernreaktor möglicherweise schwerste Strahlenbelastungen verursachen könnte. Da ja behauptet wurde, der Iran hätte in den genannten Anreicherungsanlagen schon hochgradig angereichertes U-235 angesammelt, hätte die behauptete "komplette Zerstörung" dieser Anlagen ja grossräumig dieses Nuklearinventar freisetzen müssen. Die IAEA allerdings beeilte sich sehr, in dieser Hinsicht Entwarnung zu geben - schwer zu glauben, wenn doch eine "komplette Zerstörung" der Anlagen nach aller Logik auch die Zerstörung der automatischen Messgeräte hätte bedeuten müssen. Und von IAEA-Messtrupps vor Ort ist keine Rede. Irgendetwas stimmt da nicht... Von Israel durchgeführt und von den USA offensichtlich gebilligt, ist auch die gezielte Ermordung von Zivilisten nach den Normen des Völker- und Kriegsrechts verboten. Zumindest wenn sie sich, wie es meist der Fall war, in zivilen Wohnungen oder Einrichtungen (Universitäten) aufhalten und nicht in militärischen Einrichtungen. In Israel wurde auch schon die komplette "Enthauptung des iranischen Regimes" propagiert, wobei man offensichtlich vom zweifelhaften "Erfolg" des letztjährigen Pager-Angriffs auf Hisbollah-Funktionäre im Libanon inspiriert war. Wenn das Ziel eines jeden Krieges aber letztlich die Aushandlung eines neuen Friedens ist *6, dann ist so ein Mordprogramm jedoch schon sachlich kontraproduktiv. Denn irgendwann muss man ja verhandeln, und wenn man vorher die bisherige gegnerische Führung komplett beseitigt oder "reduziert" hätte, ist ja ungewiss, mit wem man dann verhandeln muss. Es verfestigt sich aber immer mehr den Eindruck, dass die derzeitige israelische Führung mit nichts und niemandem mehr verhandeln will, sondern sich in einem permanenten Kriegszustand eingerichtet hat.
5. Diplomatie Ein weiteres prominentes Opfer ist die internationale Diplomatie. Die zeitlichen Abläufe legen mindestens für die "nicht-westlichen" Staaten den Verdacht nahe, dass sowohl die USA als auch einige EU-Staaten in diesem Falle diplomatische Treffen bewusst zur Ablenkung oder Tarnung von bereits vorbereiteten Militärschlägen inszeniert haben. Denn der Angriff Israels auf den Iran startete ja am 13.Juni und somit nur Tage vor dem für das nächste Wochenende geplanten sechsten Treffen von US- und iranischen Unterhändlern (vom Sultanat Oman vermittelt). Und als die beiden Staaten danach schon mitten im "Austausch" gegenseitiger Raketen-, Bomben- und Drohnenangriffe standen, luden die Aussenminister der drei europäischen Staaten Grossbritannien, Frankreich und Deutschland *7 den iranischen Aussenminister Aragchi zu einem Treffen nach Genf am 20.Juni. Das Treffen zeigte keine greifbaren Ergebnisse, wurde aber wiederum prompt am 22. Juni von einem Bombenangriff auf den Iran - diesmal durch die USA - gefolgt. Wenn also Verhandlungen mit den führenden Vertretern des "westlichen Blocks" zunehmend als Vorbereitung oder Tarnung ohnehin geplanter militärischer Schläge erscheinen, so wird es für den "globalen Süden" immer weniger sinnvoll sein, sich auf solche Gespräche überhaupt einzulassen. Russland hat einen solchen Lernprozess, der sich allerdings in diesem Fall über Jahrzehnte erstreckte, bereits hinter sich. Schon bevor die Minsk-2-Abkommen von den damaligen Hauptakteuren Poroschenko, Hollande und Merkel als Tarnvehikel für konsequente militärische Aufrüstung des willigen Vasallenstaates Ukraine decouvriert wurden, hatte man in Moskau lernen müssen, dass alle mündlichen ("die NATO wird sich keinen Zoll ostwärts ausdehnen") als auch schriftlichen Versprechen (z.B. "2-plus-4-Vertrag") des NATO-Blocks wenig bis nichts wert sind.
6. Russland Wenig bekannt ist die Tatsache, dass Russland eines der wenigen Länder ist, die einen "Tag der Diplomatie" feiert (jährlich am 10. Februar). Diplomatie und Respekt vor Abkommen scheint dort schon seit zaristischen Zeiten einen hohen Stellenwert zu haben. Schon die erste Haager Friedenskonferenz von 1899 wurde auf Anregung des damaligen russischen Zaren (Nikolaus II.) einberufen und resultierte in der Verabschiedung der "Haager Konvention", die immer noch Grundlage des modernen Kriegsrechts ist. Man könnte den Russen sogar vorwerfen, in ihrer Geschichte allzu häufig und allzu sehr an die bindende Kraft von Abkommen und Verträgen zu glauben. So wäre es dem Lande in der Situation von 1914 vermutlich zuträglicher gewesen, sich nicht in die überhastete Ostfront-Offensive drängen zu lassen, die das Beistandsabkommen mit Frankreich verlangte. Denn realistisch gesehen war das russische Heer für einen Feldzug zu diesem Zeitpunkt schlecht vorbereitet. "Einen Weltkrieg später" war es das Ribbentrop-Molotow-Abkommen, an das sich Moskau bis zuletzt hielt. Natürlich war der Inhalt dieses Abkommens samt Zusatzprotokoll gegenüber Polen, dessen Aufteilung man dort beschloss, Ausdruck zynischer Machtpolitik. Aber es ist doch erstaunlich, dass die Vertragstreue soweit ging, dass noch während deutsche Panzer am 22. Juni 1941 in Russland einrollten, die letzten Züge mit Weizenlieferungen aus Russland in Deutschland eintrafen. Die Stalin-Zeit war sicherlich überhaupt ein besonderes Kapitel, aber die wenigen Abkommen, die man mit der UdSSR in jener Zeit überhaupt abschloss, wurden ebenso eingehalten wie die in späterer Zeit unter Chruschtschow. Auch die späteren und wegweisenden Rüstungs-Kontroll- und Begrenzungs-Abkommen wie SALT, START oder INF. Und in allerjüngster Zeit können sich alle Länder, die Erdgas und Erdoel über die noch aktiven Pipelines aus Russland beziehen, über eine stabile und günstige Belieferung mit diesen wichtigen Energieträgern erfreuen. Obwohl die EU seit 2022 ein Sanktionspaket (also Bestrafungen) nach dem anderen beschliesst.
7. USA Bezüglich dem aktuellen Konflikt um Iran hätte Russland freilich wenig tun können. Ein militärisches Beistandsabkommen zwischen Iran und Russland gibt es nicht, zumal man sich auch schwer vorstellen kann, wie eine militärische Unterstützung überhaupt hätte aussehen können. Eine Entsendung der Interkontinentalbomber vom Typ Tu-160, um die Basen der B2-Bomber zu zerstören, wäre vielleicht technisch möglich, würde aber unmittelbar zu einem Nuklearkrieg führen. Diplomatische Unterstützung allerdings wurde angeboten, auch eine Vermittlung zwischen den drei Konfliktparteien. Das Problem dabei wäre allerdings, dass mindestens eine Partei derzeit überhaupt nicht verhandlungswillig ist - nämlich Israel. Wie steht es um die Verhandlungsfähigkeit der USA? Der politische Kommentator und US-Colonel im Ruhestand Douglas MacGregor fasste seine Einschätzung neulich wie folgt zusammen: "I don't think anybody beyond the borders of the United States believes anything we say - we have broken our word, we have deliberately misled and lied to not just the Iranians but to others." *8 (Zitat aus diesem Interview mit Andrew Napolitano auf dessen You-Tube-Kanal). Zu konstatieren ist, dass dieser "12-Tage-Krieg", wie geschickt er auch eingefädelt, umgesetzt und (vorläufig) beendet worden sein mag, die USA und auch seine wichtigsten europäischen Alliierten (oder Vasallen?) jeder Glaubwürdigkeit entkleidet hat. Erstaunlich, mit welcher Kindergläubigkeit man sich in der deutschen veröffentlichten Meinung an die Vorstellung klammert, ausgerechnet diese Nation "USA" müsse der Weltpolizist sein. Nochmal MacGregor: "We have an axe in one hand and a bag of cash in the other and no one knows what’s coming first." *9
8. Krieg der "Narrative" Spätestens seit 2020 besteht die Hauptaufgabe der westlichen Mainstream-Medien nicht mehr in der Verbreitung von Nachrichten, sondern von "Narrativen". Für den "Normalkonsumenten" wird die Losung ausgegeben, dass die Narrative der eigenen Seite automatisch korrekt und diejenigen der jeweils als Feind deklarierten falsch bzw. Lügen sind. So sollte es auch in den USA zugehen, aber seit Trumps Wahlsieg hat seine Regierung auch einen mächtigen Apparat hinter sich, der regierungs-positive Narrative verbreiten will, freilich von einer grossen Zahl von Medienunternehmen darin gebremst wird. Auch der Regierungsapparat selber ist ja von den Strukturen des "tiefen Staats" durchdrungen und konterkariert manchmal recht öffentlich das, was der Präsident oder seine Sprecherin verlautbaren lässt. Wenig Wunder, dass momentan in den USA ein "Krieg der Narrative" tobt. Auf der einen Seite die Erzählung Trumps, nach der der sonntägliche Bombereinsatz das iranische Nuklearprogramm "komplett zerstört" habe, auf der anderen Seite die Pressestimmen, die - u.a. unterstützt von einem der zahlreichen US-Nachrichtendienste - daran zweifeln, ob überhaupt ein wesentlicher Schaden an den Anlagen entstanden sei. Wurden am Ende nur leere Bunker bzw. Felsenstollen bombardiert? Wie soll man die iranische Mitteilung bewerten, dass alles spaltbare Material rechtzeitig vor den Angriffen in Sicherheit verbracht wurde? Wäre dann der gigantische Aufwand (mit den teuersten Bombern, Hunderten Begleitflugzeugen etc.) letztlich vergeblich gewesen? Hier pass ein weiterer Satz von MacGregor: "When the truth is ugly, only a lie is beautyful." Leider wird "die ganze Wahrheit" über diesen Einsatz, über die echten Ziele, die geheimen Absprachen hinter den Kulissen etc. wohl erst in Jahren oder Jahrzehnten offenbar werden.
9. "The Grand Chessboard" Dies ist der Titel eine sehr einflussreichen Buchs, welches der langjährige Präsidenten-Berater Zbigniew Brezinsky 1997 veröffentlichte: "Das Grosse Schachbrett" *11. Als ein solches sah der "Global-Stratege" Brezinsky die Welt an, und Ziel der Politik seines (angenommenen *12) Heimatlandes USA müsse sein, auf diesem "Schachbrett" immer und überall die strategisch überlegene Position zu erlangen, denn es geht - wie es am Schluss des Buches heisst, um "America's role as the worlds first, only and last truly superpower" *13 Nach einer kursorischen Sichtung des Textes taucht der Begriff "Iran" recht häufig auf, als Teil jener geostrategisch wichtigen Randbereiche um die "Feinde" Russland und China. Heute dürfte der Iran für die ideellen Nachfolger des Herrn Brezinski eher noch wichtiger sein, zählt er doch nun auch zur BRICS-Gruppe und ist vermutlich nach den Gründungsstaaten eines der wichtigsten Mitglieder. Was China mit "Belt and Road" und Russland mit "Nord-Süd-Korridor" gemeinsam mit dem Iran planen, kann von diesen US-Globalkriegern nur als Bedrohung der eigenen Hegemonie empfunden werden. Ein Krieg gegen den Iran stand somit schon lange, unabhängig von den Wünschen der Israel-Lobby, auf dem Wunschzettel dieser Leute. Inwieweit die Trump-2-Regierung sich da den Wünschen dieser eben "tief im Staat" eingegrabenen Gruppierungen ergeben hat, oder ob umgekehrt die erstaunliche Kürze des "Feldzuges" (12-Tage) eher auf ein geschicktes Umsteuerungsmanöver schliessen lässt, ist m.E. noch nicht klar zu erkennen. So oder so wird der Iran weiterhin auf der "Hitlist" der US-Geostrategen bleiben. Jedenfalls ist klar erkennbar, dass der "12-Tage-Krieg" keines der Probleme in Nahost gelöst oder wenigstens einer Lösung nähergebracht hat. Medial allerdings hat das "Duell" der Streitkräfte Israels und des Irans erfolgreich vom Morden in Gaza abgelenkt, welches auch während dieser 12 Tage unvermindert weitergeführt wurde. Den Blutzoll für diese zynischen geostrategischen Spielchen zahlen wie immer die Zivilisten - in Israel, im Iran, im Libanon, in Syrien, in der Westbank und in Gaza. (29. Juni 2025)
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*1 Die sogenannte "Lybische Lösung" wurde von Premier Netanyahu auch öffentlich propagiert. *2 MAGA = "Make America Great Again" *3 "Auslands-Verstrickung" *4 Die unübertroffene Weltuntergangs-Satire "Dr. Strangelove or how I learned to stop worrying and love the bomb" von Stanley Kubrick (1964) hat als sozusagen technischen Hauptdarsteller eine - damals noch recht neue - Boeing B-52. *5 "Die Anzahl der in dieser erfolgreichen Operation eingesetzten Raketen entspricht der Anzahl der von den USA bei ihrem Angriff auf die iranischen Nuklearanlagen eingesetzten Bomben" *6 So erläutert es jedenfalls Sebastian Haffner in seinem Werk "Anmerkungen zu Hitler". *7 Von den Mainstream-Medien prompt mit dem gewichtig wirkenden Akronym "E3-Gruppe" bedacht. *8 "Ich glaube nicht, dass uns jenseits der Grenzen der USA noch irgendjemand etwas glaubt, irgendetwas - wir haben unser Wort gebrochen, wir haben nicht nur die Iraner, sondern auch andere, vorsätzlich getäuscht und belogen" *9 "In der einen Hand halten wir [die US-Regierung] eine Axt, in der anderen einen Sack voller Geld, und niemand weiss, was zuerst auf ihn zukommt." *10 "Wenn die Wahrheit hässlich ist, kann nur eine Lüge schön sein" *11 Dank der CIA kann jedermann das Buch als PDF herunterladen, wenngleich es etwas lieblos ins PDF-Format konvertiert wurde (nicht übereinstimmende Seiten-Nummerierung, merkwürdige Wort-Trennungen, abgeschnittene Tabellen). Der Link dazu: *12 Brezinski war gebürtiger Pole. *13 "Amerikas Rolle als erste, einzige und letzte wahre Supermacht" - Wie in den USA üblich, verwendet auch Brezinski das Wort "Amerika", wenn er eigentlich nur die USA meinen kann.
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